Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 016.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

6.
Der getreue Johannes.

Aus Zwehrn, eine andere Erzählung aus dem Paderbörnischen. Ein armer Bauer bittet, auf Geheiß eines alten Mütterchens, den zu Gevatter, der ihm zuerst draußen auf dem Weg begegnet, und den er noch nicht kennt. Das ist nun der König, der hebt auch das Kind aus der Taufe und gibt ihm den Namen Roland. Die Königin war aber zu derselben Stunde niedergekommen und ihr Kind Joseph genannt. Als ein Jahr herum ist, läßt der König den kleinen Roland abholen und nimmt ihn an Kindesstatt an. Roland und Joseph wachsen zusammen auf und halten sich für Geschwister. Als sie zwanzig Jahr alt sind, reitet der König einmal fort und hinterläßt ihnen die Schlüssel zu allen Stuben; sie sollen alle aufschließen dürfen, nur eine nicht. Roland aber ist so neugierig daß er am dritten Tag den Joseph beredet mit ihm in die verbotene Stube zu gehen. Sie ist ganz mit Tuch ausgeschlagen, als aber Roland das auch in die Höhe hebt, so sieht er das Bild einer wunderschönen Jungfrau und fällt bei dem Anblick in Ohnmacht. Joseph trägt ihn hinaus, Roland wird wieder zu sich gebracht, ist aber von Stund an krank aus Liebe und hat keine Ruhe, bis sie beide in das Reich ziehen, wo die Königstochter lebt. Sie muß dort sieben Jahre in einem Thurm sitzen, Abends wird sie in einem verschlossenen Wagen zu ihren Eltern gebracht und Morgens früh vor Tages Anbruch wieder in den Thurm zurück. Roland und Joseph können sie gar nicht einmal sehen und müssen unverrichteter Sache wieder heimreisen. Da gibt ihnen der Vater vier Schiffe, drei mit Kanonen besetzt und das eine mit den schönsten Waaren beladen. Sie schiffen hin und geben sich für Kaufleute aus, und Joseph bittet den König er möge das Gesetz erlassen, daß immer nur ein einzelner Mensch auf sein Schiff gehen dürfe, weil er sonst zu sehr bestürmt würde. Das geschieht, der König kommt nun selbst aufs Schiff und danach die Königin und kaufen viel. Und weil alles so schön ist, soll es ihre Tochter auch sehen. Sobald sie aber das Schiff betreten hat, wird der Anker gelichtet und die schöne Braut fortgeführt. Der König schickt ein Schiff, sie wiederzuholen, aber das wird von den Kanonen in den

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_016.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)