Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 042.jpg

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hat schütteln wollen, schüttelt er sich selbst und wirft viele trockene Zweige herab, die es schlagen: die Kuh die es nicht hat melken wollen, stößt es, so daß es endlich zerschlagen und voll blauer Flecken oben wieder anlangt. Eine fünfte abermals hessische Erzählung ist abweichend. Es war eine Frau, die liebte nur ihre rechte und gar nicht ihre Stieftochter, die doch ein gutes frommes Mädchen war; sie hielt es immer hart und suchte es los zu werden. Eines Tags setzte sie beide an einen Brunnen, da sollten sie spinnen, „wer mir aber den Rocken hinabfallen läßt, den werf ich hinter drein“. So sprach sie und band ihrer Tochter den Rocken fest, der Stieftochter aber ganz lose. Kaum hat diese ein bischen gesponnen, fällt ihr der Rocken hinab, und die Stiefmutter ist unbarmherzig genug und wirft sie hinab. Sie fällt tief hinunter, kommt in einen herrlichen Garten und in ein Haus, wo niemand ist: in der Küche will die Suppe überlaufen, will der Braten eben verbrennen und der Kuchen im Backofen eben schwarz werden. Sie setzt die Suppe geschwind ab, gießt Wasser zum Braten und nimmt den Kuchen heraus und richtet an: so hungrig sie aber ist, nimmt sie doch nichts davon außer ein paar Krümchen, die beim Anrichten vom Kuchen herabgefallen waren. Darauf kommt eine Nixe mit furchtbaren Haaren, die gewiß in einem Jahr nicht gekämmt waren, und verlangt sie solle sie kämmen, aber nicht rupfen und nicht ein einzig Haar ausziehen, welches sie endlich mit vielem Geschick zu Stande bringt. Nun sagt die Nixe, sie wolle sie gern bei sich behalten, sie könne aber nicht, weil sie die paar Krumen gegessen habe; doch schenkt sie ihr einen Ring und andere Sachen, wenn sie den Nachts drehe, wolle sie zu ihr kommen. Die andere Tochter soll nun auch zu der Nixe, und wird in den Brunnen geworfen; sie macht aber alles verkehrt, bezähmt ihren Hunger nicht, und kommt dafür mit schlechten Geschenken zurück.

Eine sechste Erzählung aus Thüringen gibt W. Reynitzsch in dem Buche über Truhten und Truhtensteine (Gotha 1802) S. 128–131. Die schöne Schwester, der die Spindel in den Brunnen gefallen ist, wird von der garstigen (aischlichen) hinabgestoßen. Sie kommt auf ein weites Feld, ein weißes Männchen geht mit ihr auf eine grüne Wiese, auf welcher ihnen ein Bardel (Sänger) mit seiner Geige begegnet, sie singend empfängt und geleitet. Eine rothe Kuh bittet gemelkt zu werden, damit ihr der Euter nicht zerspringe; das Mädchen thuts. Sie gelangen endlich an eine prächtige Stadt, das

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_042.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)