Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 059.jpg

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reichen Grafen lagen, bei dem er diente. In dem Ställchen blieb sie zwei Jahre lang und aß und trank mit den Hunden. Nun merkte der Graf daß seine Hunde so mager wurden und fragte den Jäger um die Ursache: da gestand er daß er ein Mädchen aufgenommen habe, das mit den Hunden das Essen und Trinken theile. Sprach der Graf er solle es vor ihn bringen, aber das Mädchen wollte nicht: da gieng er selbst hinab in den Stall und sah es und sprach „es soll zu mir ins Schloß, ich will es erziehen“. Da war es neun Jahr alt. Es trug sich zu, daß, als es einmal vor der Thüre stand, ein armer greiser Mann daher kam und um eine milde Gabe bat. Es schenkte ihm etwas, da sprach er „du sollst deine Zunge und deinen Arm wieder haben“, und gab ihm einen Stab und sagte „nimm diesen Stab und geh gerade fort, er wird dich vor Bösem schützen und dir den Weg zeigen“. Da nahm es den Stab und gieng fort ein paar Jahre lang. Es gelangte zu einem Wasser und trank daraus, da kam seine Zunge geschwommen und wuchs fest in dem Munde: es hielt den abgehauenen Stumpf ins Wasser, da kam der Arm und wuchs fest und danach auch Hand. Nun nahm es den Stab und gieng wieder zurück zum Grafen, aber es war so schön geworden daß er es nicht mehr erkannte. Da gab es sich zu erkennen, und sie wurden Eheleute. Man sieht daß das Märchen die volksmäßige Quelle ist, woraus die im Mittelalter so bekannten Dichtungen von Mai und Beaflor, der schönen Helena u. a. entsprungen sind. Hierzu stimmt noch besonders das Bruchstück einer vierten hessischen Erzählung, wonach die Königin mit zwei Kindern verstossen wird und ihr zwei Finger abgeschnitten werden, welche die Kinder bei sich tragen. Die Kinder werden ihr von Thieren geraubt und dienen als Küchenjungen, die Mutter als Waschfrau. Hierher gehört ein Märchen aus Meran bei Zingerle S. 124, daran das Märchen von den zwei Brüdern (Nr. 60) geknüpft ist. Bei Pröhle Kindermärchen Nr. 36. Im Pentamerone la Penta manomozza (3, 2). Verwandt sind zwei serbische Märchen bei Wuk Nr. 27 und 33, wahrscheinlich auch ein finnisches bei Rudbeck (1, 140); s. Schiefner 600. 616. Eine altdeutsche Erzählung enthält die Sage von einem König, der eine Frau haben will, die seiner Tochter gleiche. Der Pabst erlaubt ihm die Tochter, die sich weigert und in ein Faß ausgesetzt wird (pfälz. Handschrift 336. Bl. 276–286). Wie das Mädchen sich mit seinen Thränen rein wäscht, so thut in einem schwedischen Lied (Geyer 3,

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_059.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)