Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 070.jpg

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hat. Das Alter des Märchens beweist ein von Hans Sachs im Jahr 1553 gedichteter Meistergesang, der sich in einer Berliner handschriftlichen Sammlung von Meistergesängen (mss. german. Nr. 22 fol. Stück 19) befindet; der Schluß ist abweichend. Ein Meistergesang von Heinrich Wolf im Jahre 1644 gedichtet in einer andern Sammlung (mss. german. Nr. 24 fol. S. 496), wo erst der Teufel, dann der Tod den Bauer abweist. Auch Jacob Ayrer hat ein Fastnachtsspiel (das 6te im opus theatr.) vom „Baur mit seim Gevatter Tod“ daraus gemacht. Erst bietet sich Jesus dem Kindtaufvater an, wird aber von diesem nicht angenommen, weil er einen reich, den andern arm mache. Drauf naht sich der Teufel, den er gleichfalls ausschlägt, weil er vor dem Namen des Herrn und des heiligen Kreuzes weglaufe (gerade wie der h. Christoph, als er sich einen Herrn sucht). Der Teufel schickt ihm zuletzt den Tod auf den Hals, der alle Leute gleich behandelt, dieser steht Gevatter und verspricht ihn zum Arzt zu machen, woraus ihm überreicher Lohn entspringen werde,

„bei allen Kranken findst du mich,
und mich sieht man nicht bei ihn sein,
dann du sollst mich sehen allein.
wenn ich steh bei des Kranken Füßen,
so wird derselbe sterben müssen,
alsdann so nim dich sein nicht an,
sichstu mich aber beim Kopfen stahn“ u. s. w.

zum Schein der Arznei solle er nur zwei Äpfelkern, in Brot gesteckt, eingeben. Dem Bauer gelingts damit, aber zuletzt holt der Tod seinen Gevatter selbst. Dieselbe Fabel, jedoch mit eigenthümlichen Abweichungen (worunter die beste, daß nicht der Vater, sondern das neugeborene Kind selbst die Doctorgabe empfängt), erzählt Prätorius im Glückstopf (1669) S. 147–149). Bei Pröhle Kinderm. Nr. 13. Nach einer Erzählung aus dem Odenwald in Wolfs Hausmärchen S. 365 überlistet der Arzt den Tod.

Die Lichter woran das Leben gebunden wird, erinnern an Nornagest und die noch gangbare Redensart „das Lebenslicht, die Lebenskerze ausblasen“. Schon in einer griechischen Mythe wird das Leben an ein brennendes Scheit verbunden; s. Gruber mytholog. Wörterbuch 3, 153. Überhaupt weist das Märchen auf tiefliegende Ideen hin; vergl. Wackernagel in Haupts Zeitschrift 6, 280 folg.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_070.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)