Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 075.jpg

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stellt bekanntlich auch ein schönes Volkslied von Ulrich und Ännchen dar (Wunderhorn 1, 274. Herders Volkslieder 1, 79 und Gräters Idunna 1812), wo aber auch des blauen Barts nicht Erwähnung geschieht. Gleichwohl ist Blaubart der Volksname eines Starkbärtigen, wie in Hamburg (Schütze holst. Idiot. 1, 112), und hier in Cassel ist deshalb ein verwachsener, halbtoller Handwerksbursch unter dem Namen bekannt genug. Es heißt also (gleich dem nordischen Blâtand, Schwarzzahn) ein Schwarzbärtiger und bezieht sich ursprünglich wohl auf eine Krankheit, wie die Miselsucht, welche durch das Baden im Blut der reinen Jungfrauen sollte geheilt werden; daher die sonst unbegreifliche Grausamkeit; s. Armer Heinrich S. 173.

Wir fügen noch eine holländische, hierher gehörige Sage nach mündlicher Überlieferung hinzu. Ein Schuhmacher hatte drei Töchter. Zu einer Zeit, wo er ausgegangen war, kam ein Herr in einem prächtigen Wagen und nahm eine von den Jungfrauen mit sich, die nicht wieder kam. Darauf holte er auf eben die Weise die zweite, endlich auch die dritte, die gleichfalls mitgieng und ihr Glück zu machen glaubte. Unterwegs, als der Abend einbrach, fragte er sie

„der Mond scheint so hell,
meine Pferdchen laufen so schnell,
süß Lieb, reut dichs auch nicht?“

(’t maantje schynt zo hel,
myn paardtjes lope zo snel,
soete liefje, rouwt ’t w niet?)[1].

„Nein,“ antwortete sie, „warum sollte michs reuen, ich bin immer bei euch wolbewahrt“; doch hatte sie eine innerliche Angst. Sie kamen in einen großen Wald, da fragte sie ob sie nun bald angelangt wären, „ja“, antwortete er, „siehst du das Licht in der Ferne, da liegt mein Schloß“. Nun langten sie an, und es war alles gar schön. Am andern Tag sprach er zu ihr „ich muß fort, aber ich will nur ein paar Tage ausbleiben, da hast du die Schlüssel zum ganzen Schloß,


  1. Erinnert an das bekannte Todtenreiterlied, das im norweg. Volksreim lautet, maanen skjine, dömand grine, värte du ikkje räd? (Idunna 1812 S. 60); vergl. altdeutsche Blätter 1, 194.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_075.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)