Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 149.jpg

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386) und die Erzählung in dem Συντίπας, die Keller in der Einleitung zu Li romans des sept sages CLXXXI anführt. Bei Hebel im Schatzkästlein (S. 117), so gut sonst die Erzählung, ist in der Sage selbst schon vieles ausgefallen. Die Frau wünscht sich, ohne an die Gabe zu denken, als sie mit dem Mann beim Feuer sitzt, ein gebratenes Würstlein. Es kommt, der Mann wünscht in der Übereilung daß ihr die Wurst an die Nase angewachsen wäre, und muß nun den dritten Wunsch thun, daß sie von da wieder herabfalle.

Der erste Theil unseres Märchens, die bescheidenen Wünsche der Frommen, bei denen Gott gewohnt hat, enthält offenbar die uralte Sage von Philemon und Baucis (Ovid. met. 8, 617; vergl. die Anmerkung von Voß zu seiner achtzehnten Idylle, der noch andere anführt). Auch die Indier haben sie in eigenthümlicher Gestalt. Der Bramine Soodam und dessen Weib leben in größter Armuth, ohne daß dadurch sein Vertrauen zu Gott geschwächt wird. Sein Geschäft ist das Gebet, und dabei bemerkt er nicht daß die Arbeit seiner Frau nicht mehr zureichen will ihnen das tägliche Brot zu verschaffen. Eines Tags erinnert sie ihn daß Chrisnen auf der Schule und beim Lernen sein Gefährte gewesen und räth ihm nach Dwarka zu gehen, weil Chrisnen gewiß, wie er das Elend bemerke, ihm abhelfen werde. Soodam entschließt sich endlich dazu und als Geschenk nimmt er, was er vermag, ein wenig Reis mit, der mühsam in sein durchlöchertes Kleid gebunden wird. Chrisnen, der Mensch gewordene Gott, empfängt den Braminen mit Ehrbezeugungen und als einen alten Freund, forscht selbst nach dem üblichen Geschenk und nimmt das armselige mit Zufriedenheit an; ja er thut ein Korn davon in seinen Mund und theilt das übrige aus. Vergnügt über einen solchen Empfang nimmt der Bramine nach drei Tagen wieder von Chrisnen Abschied, wundert sich aber sehr ohne ein Zeichen von dessen Großmuth entlassen zu werden. „Vielleicht“, denkt er bei sich, „will Gott daß du arm bleiben sollst“, unterwirft sich willig und geht ruhig heim. Aber wie erstaunt er, als er anlangt! Chrisnen hatte seinem himmlischen Baumeister aufgetragen ein prächtiges Haus zu bauen, das steht vor ihm, mit allem Zubehör und allem was zu einem bequemen Leben erforderlich ist, ausgerüstet. Anfangs glaubt er sich verirrt zu haben, aber seine Frau mit vielen Dienern kommt ihm entgegen und benachrichtigt ihn von der Freigebigkeit des Gottes. So erzählt Polier (Mythologie des Indous 2, 66–70),

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_149.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)