Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 201.jpg

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Herkules. Die Erlösung der Jungfrau wird ähnlich erzählt in einem Märchen aus Thüringen bei Sommer S. 122, auch gehört Nr. 11 bei Müllenhoff hierher.


122.
Der Krautesel.

Aus Deutschböhmen. Merkwürdig ist die Verwandelung der Menschen in Esel, die man schon aus dem Apulejus kennt. Hierzu stimmt noch näher eine Volksage die Prätorius vielfach gehört hat und in der Weltbeschreibung 2, 452. 455 (vergl. Zeileri epistolae 2, 956 folg. ep. 575) mittheilt. Ein Bürgerssohn aus Brück in Sachsen geht unter die Schweden und liegt eine Zeitlang in einer schlesischen Stadt, wo er eine Liebschaft mit der schönen Tochter einer armen Wittwe anfängt und sich mit ihr verlobt. Als er fortzieht und Mutter und Tochter mit Nachholung vertröstet, merkt jene daß er es nicht aufrichtig meint und spricht „dein Bräutigam wird dich wohl sitzen lassen, ich will ihn dafür zum Esel machen“. Die Tochter antwortet „will er so untreu handeln, so ist er nichts besseres werth“. Der Reiter zieht fort, als er aber ein wenig nachreitet und an einen Strauch kommt, meint er es sei Noth einmal abzusteigen; wie er aber abgestiegen ist, wird er alsbald zum Esel, bleibt auch bei seinem Pferde stehen. Nun kommen andere, behalten das Pferd und verkaufen den Esel einem Müller zum Sackträger. Aber er ist muthwillig und wirft alle Säcke herab, so daß ihn der Müller einem andern Müller verkauft, wo aber der Menschesel sich nicht frömmer verhält, ja er schreit einmal laut und schlägt aus, als der Müller mit der Magd scherzen will, und wird nun weiter und gerade in die Stadt verkauft, wo er zum Esel geworden war. Als er einst mit seinem Sacke an dem Hexenhause vorübergeht und eben Mutter und Tochter vor der Thüre stehen, spricht diese „ei, Mutter, seht da unser Eselchen! könnte der nicht wieder zu einem Menschen werden?“ „Ja“, antwortet die Mutter, „wenn die Lilien blühen und er davon ißt, so kann es geschehen“. Das hört der Esel und als die Lilien blühen und in der Apotheke ein Topf damit angefüllt etwas hoch steht, wirft er im Vorbeigehen seinen Sack zur Erde, springt hinauf, erschnappt die Lilien

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_201.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)