Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 204.jpg

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kauft und ißt zwei mit Lust davon. Nun fängt ihr die Nase an zu wachsen, so stark daß sie vom Sessel nicht aufstehen kann sondern umfällt. Die Nase wächst aber sechszig Ellen um den Tisch, sechszig um ihren Schrank, hundert ums Schloß und noch zwanzig Meilen zur Stadt hinaus. Der König läßt ausschreiben wer ihr helfen könne, der solle reich gemacht werden. Nun meldet sich der alte Soldat als Doctor und gibt ihr von dem Apfelpulver, da fängt die Nase von neuem an zu wachsen und wird noch zwanzigmal größer. Wie die Angst bei ihr auf dem höchsten Grad ist, gibt er ihr von dem Birnenpulver, da wird die Nase ein wenig kleiner. Aber am andern Morgen, um die Falsche recht in Noth zu bringen, gibt er ihr wieder von dem Apfelpulver, so daß die Nase aufs neue wächst und sie viel mehr zunimmt als sie gestern abgenommen hatte. Er spricht sie müßte einmal etwas entwendet haben, wenn sie das nicht herausgebe, helfe kein Rath. Sie will von nichts wissen, er droht ihr mit dem Tod. Da sagt der König „gib Beutel, Mantel und Horn heraus, die du entwendet hast“. Da muß die Kamerjungfer die drei Stücke holen, und wie sie der Arzt hat, gibt er der Königstochter von dem Birnenpulver die rechte Menge: alsbald fällt die Nase ab und 250 Männer müssen kommen und sie zerstücken. Er aber geht vergnügt mit seinen wiedererlangten Wunschdingen heim zu seinen Kameraden. Mit dieser Erzählung stimmt eine andere in Kleists Zeitschrift Phöbus 1808 S. 8–17. Manches abweichende bei Pröhle Märchen für die Jugend Nr. 18.

Es ist hier am deutlichsten die Sage vom Fortunat, die sich auch als eine deutsche ausweist, denn nach dem Volksbuch ist diese Erzählung offenbar nicht gemacht, wo sie viel alterthümlicher und einfacher ist; vergl. Nr. 36 und 54. Der Wünschmantel und das Horn kommen da gar nicht vor sondern ein Hut und ein Seckel. Die Gesta Romanor. (lat. Ausg. Cap. 120, deutsche Ausg. Cap. 8) haben alles noch viel einfacher, im Fortunat wachsen statt der Nasen Hörner, dort entsteht der Aussatz. Eben so kommen in Helwigs jüdischen Geschichten Nr. 38 zwei Äpfelbäume vor, die Frucht des einen macht aussätzig, die des andern heilt. Da die Alten schon, wie wir, mancherlei Sprichwörter von der langen Nase hatten, so mag ihnen auch eine ähnliche Fabel bekannt gewesen sein, z. B. bei Martial nasus qualem noluerit ferre rogatus Atlas. Der D. Faust kann

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_204.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)