Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 240.jpg

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Land kann ich nicht mehr bleiben, die Luft thut mich in Schlauraffen treiben, drei Meil hinter Weihnacht, da sind die Lebkuchenwände, Schweinebratenbalken, Malvasirbrunnen, Milchramregen, Zuckererbsenhagel: da wird der Spaß bezahlt und der Schlaf belohnt, da gibts Bratwurstzäune, Honiggyps und Fladendächer“. Eben so hat man ein altfranzös. Fabliaux von dem pays de Cocagne (Méon. 4, 176). Im englischen heißt das Land Cockeney; s. Altd. Blätter 1, 369–401. Von Basili in sicilian. Mundart la Cuccagna conquistata. Palermo 1674. Die Beschreibung der alma città di Cuccagna beginnt

Sedi Cuccagna sutta una montagna
di furmaggiu grattatu, et havi in cima
die maccaruni una caudara magna.

Vergl. Fr. Wilh. Val. Schmidt Beitr. zur Geschichte der romantischen Poesie. S. 85. In Östreich wird erzählt daß man durch einen ungeheuer langen Darm schliefen müsse: wer stecken bleibt ist verloren, wer aber glücklich und standhaft sich durcharbeiten kann, wird in ein Land kommen, wo es nichts als Wohlleben und gute Tage gibt (Höfer 3, 92). Auf der andern Seite schlägt das Märchen in vielen Sagen von den unmöglichen Dingen (Nr. 159) und die gleichfalls alte Geschichte vom Finkenritter ein, dessen Fischart mehrmals gedenkt und woran er vielleicht selbst mitgearbeitet hat (über das Volksbuch vergl. Kochs Grundriß 2). Im Bienenkorb (St. 4, Cap. 4) heißt es unter andern „zur Zeit da die Häuser flogen, die Thiere redten, die Bäche brannten und man mit Stroh löschte, die Bauern bollen und die Hunde mit Spießen herausliefen, zur Zeit des strengen Finkenritters“. Manches in der Zusammenstellung dieser unmöglichen Dinge deutet auf geheime, verloren gegangene Berührungen derselben dennoch hin, und es ist hier, wie in den Traumdeutungen, die Reihe solcher ahnungsvollen Verwandtschaften von den rohen und groben Lügen zu unterscheiden. Ein holländisches Volkslied „de droomende Reyziger“, wiewohl modernisirt, hat noch viele alte Strophen und Übereinstimmung mit dem altdeutschen Gedicht, vergl. die Sammlung Toverlantarn S. 91–92. Hierher gehört das Dietmarsische Lied von den unmöglichen Dingen (Nr. 159), Walafrieds Strabo similitudo impossibilium (Canis. 2, 2. p. 241), Stellen bei Tanhauser 2, 66, Marner 2, 172.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_240.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)