Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 303.jpg

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darin, man fühlt das überfeine und vornehme Wesen aus dem Zeitalter Ludwig des Vierzehnten, dagegen fehlt etwas natürliches und frisches, oder das einfache und, wenn man den Ausdruck nicht misdeuten will, das bürgerliche, das neben allen Wundern in den ächten Märchen immer durchscheint. Dagegen besser als die von Perrault sind sie insoweit als ihnen nicht selten eine an sich reichere und schönere Überlieferung zu Grund liegt; auch ist man geneigt, zumal wenn man sie nur einmal liest, die künstlichere Verflechtung der Begebenheiten, die Abrundung und die öfters mit Gewandtheit ausgeführte Überarbeitung zu einem kleinen Roman als einen Vorzug gelten zu lassen. Käme es in der Poesie nur auf eine sogenannte ästhetische Verschönerung an, so würde man nicht begreifen warum die Märchen von Perrault bei geringerm Reiz den Vorzug behalten haben. Wir zählen sie einzeln auf[1] und merken ihre Verwandtschaft mit andern an; ein Auszug wäre bei dem oft abgedruckten Buch überflüssig.

1. Gracieuse und Percinet. Gleicht dem italienischen Märchen im Pentamerone 5, 4. Offenbar zugedichtet ist der Feenpalast des Percinet.
2. Die Schöne mit dem Goldhaar (La belle aux cheveux d’or). Im Pentamerone Corvetto (3, 7), im deutschen Ferenand getrü (Nr. 126). Der Schimmel, der dort Rath schafft, ist hier das Hündchen Cabriolle. Zierlich und ziemlich rein von Zusätzen.
3. Der blaue Vogel (L’oiseau bleu). Offenbar im Zusammenhang damit, wie schon vorhin bemerkt, ist der Lai von Ywenec aus dem 13ten Jahrhundert. Das deutsche Löweneckerchen (Nr. 88), doch erst von da an, wo der Königssohn, in eine Taube verwandelt, fortfliegen muß.
4. Der Kobold (Le prince lutin). Hat eine gute Grundlage. Der Prinz rettet eine Schlange ohne zu wissen daß eine Fee darunter verborgen ist; diese verleiht ihm aus Dankbarkeit alle Eigenschaften eines Kobolds. Unter andern gibt sie ihm auch ein rothes Käppchen (Nebelkappe), womit er sich unsichtbar machen kann.

  1. Nach der Ausgabe im Cabinet des fées. Paris 1785. Bd. 2.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_303.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)