Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 306.jpg

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21. Das Taubenpaar (Le pigeon et la colombe). Sehr ausgesponnen und modernisiert. Echt ist gewiß der Eingang. Die Königstochter wird versteckt und soll nicht aus dem Haus gehen, um dem Riesen nicht in die Hände zu fallen. Wie sie aber ihr geliebtes Schäfchen aus Angst vor dem Wolf schreien hört, vergißt sie die Warnung und lauft heraus. Der Riese steckt sie nun sammt dem Wolf, Lamm und noch einigen Thieren in einen Sack, und da er mit einem andern Riesen zu kämpfen hat, wirft er den Sack so lange auf einen Baum. Jetzt schneidet das Mädchen den Sack mit seiner Scheere auf, macht sich frei, nimmt auch ihr Schäfchen und die andern Thiere mit, und nur den bösen Wolf läßt es darin stecken.
22. Die Schöne mit dem Stern (La princesse Belle-Etoile). Unmittelbar aus Straparola 4, 3.
23. Prinz Schwein (Le prince Marcassin). Straparola 2, 1.
24. Der Delphin (Le Dauphin). Straparola 3, 1.


Nachahmer.

Die Märchen welche nach der Gräfin Aulnoy im Anfang des 18ten Jahrh. in ziemlicher Anzahl erschienen, stehen alle viel tiefer und sind fast immer aus leeren Phantasien, ohne Anhalt an eine lebendige Idee hervorgegangen. Namentlich was die Gräfin Mürat (starb 1716) im Cabinet des fées Bd. 1, die Gräfin d’Auneuil (starb 1700), das. Bd. 5, Hr. von Preschac (geb. 1676), das. Bd. 5, als Märchen dichteten, ist ein Gemisch von sogenanntem orientalischen Zauberwesen und modern schäferlichen Liebesgeschichten ohne wahren Gehalt; die Gestalten darin haben kein Leben und keine eigenthümliche Natur. Nicht viel günstiger ist über die sogenannten Märchen des Grafen Hamilton (geb. um 1656, gest. 1720), das. Bd. 20, und des Herrn von Moncrif (geb. 1687, gest. 1770), das. Bd. 26, zu urtheilen. Von den Erzählungen der Fräulein de la Force (geb. um 1650, gest. 1724), das. Bd. 6, verdient nur die zweite, Persinette, einer Erwähnung, es ist Petrosinella im Pentamerone 2, 1, doch nach einer sehr schwachen und unvollständigen Überlieferung. Eine Anmerkung zu einer andern Erzählung sagt überdies ausdrücklich nur diese einzige (L’enchanteur überschrieben) sei aus einem Buche genommen, alles übrige aber eigene Erfindung der Verfasserin.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_306.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)