Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 324.jpg

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3. Das Erdmännchen. Ganz mit dem deutschen (Nr. 91) übereinstimmend. Eine gemeine und schlechte Bearbeitung ist gedruckt, En ikke alldeles ny men dock sällsam historia om Lunkentus (so heißt nämlich das Erdmännchen). Jönköping 1818.
4. Der Graumantel. Aus Ostgothland. Ein König hat drei Töchter und liebt vorzüglich die jüngste. Ein mal verirrt er sich im Wald, wo er hinaus will, immer tritt ihm ein Mann in grauem Mantel entgegen. „Wenn du fort willst“, sagt er, „so gib mir das erste lebende Wesen, was dir bei deiner Ankunft begegnet“. Der König denkt „das wird wie immer mein Windspiel sein“, und sagt „ja“. Es ist aber seine jüngste und liebste Tochter. Er schickt die beiden ältesten dem Graumantel nach einander in den Wald hinaus, aber dieser sendet jede reich beschenkt zurück. Graumantel erhält nun die jüngste, führt sie in ein prächtiges Schloß und schenkt ihr alle Herrlichkeiten darin, nur verbietet er ihr eine einzige Lucke im Fußboden des Zimmers zu öffnen. Er zeigt sich nur beim Essen, wo er sie bedient; Nachts im Traum erscheint ihr ein schöner Jüngling. Einmal als Graumantel abwesend ist, überwältigt sie die Neugierde, sie öffnet die Lucke und sieht darunter gerade den Graumantel stehen. Indem kommt er auch aus der Ferne daher gegangen und fragt zornig „was hast du unter der Lucke gesehen?“ Sie kann vor Schrecken nicht antworten und fällt wie todt zur Erde nieder; beim Erwachen ist das Schloß mit allen Herrlichkeiten verschwunden und sie befindet sich in einer Wildnis. Hier erblickt sie auf der Jagd ein König und nimmt sie mit und wegen ihrer Schönheit macht er sie zu seiner Gemahlin. Wie sie aber bei der Trauung ja gesagt hat, vergeht ihr die Sprache und sie wird stumm. Sie bringt einen Sohn zur Welt, Graumantel erscheint und fragt was sie unter der Lucke gesehen habe? und da sie vor Schrecken nicht antwortet, so nimmt er das Kind mit und macht ihr den Mund blutig. Ebenso beim zweiten Knaben; das läßt der König noch hingehen, als aber beim drittenmal sich dasselbe ereignet, so soll sie als Hexe verbrannt werden. Schon steht sie auf dem Scheiterhaufen, da erscheint der Graumantel und fragt abermals „was hast du in der Lucke gesehen?“ Sie überwindet da ihre Angst und sagt „dich sah ich, du abscheulicher Graumantel“. In demselben Augenblick fällt der graue Mantel wie Asche zusammen und der schöne Jüngling
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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_324.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)