Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 379.jpg

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Fieber, er setzt sich unter einen Baum, bindet den Esel daran, und zieht die Säcke von dem Rücken desselben. Indessen überwältigt ihn das Fieber und er liegt danieder. Als die rothen Ameisen das sehen, kommen sie herbei, und weil er vom Fieber kraftlos ist, so tödten sie ihn. Es war ein Insect dabei, das eilt zu unserm Herrn und berichtet was geschehen ist. Der Herr läßt die rothen Ameisen vor sich kommen, sie sagen daß der Kaufmann nicht habe bezahlen wollen was er ihnen schuldig gewesen sei. Der Herr gibt ihnen recht und sie erhalten das Geschäft ein krank liegendes Insect zu tödten.

12. Von den Schlangen. Die verschiedenen Schlangen haben ihre Wohnstätte an demselben Ort und bleiben darin. Jede hat ihre eigene Jagd und frißt die Nahrung die ihr behagt, keine raubt was der andern zugehört. Die Aberschlange (sie ist gefleckt, neun Fuß lang und so dick als eines Menschen Schenkel) geht einmal bei einbrechender Nacht in den Wald, Speise zu suchen und legt sich mitten in den Weg. Ein Mann (d. h. eine Schlange) geht in gleicher Absicht heraus. Er kann der Dunkelheit wegen die Aberschlange nicht sehen und tritt ihr auf den Fuß. Sie empfindet den Schmerz, ringelt sich und beißt ihn mit ihrem giftigen Zahn. Der Mann schreit laut, so daß das Volk im Haus es hört. Sie laufen herbei und finden den Mann dem der Schweis über den ganzen Leib rinnt. Er erzählt ihnen was geschehen ist. Sie bringen Heilmittel herbei, aber diese haben keine Wirkung; er stirbt. Sie tragen ihn heim und begraben ihn. Sie lassen die Aberschlange kommen, halten ihr vor was sie gethan hat, und werfen ihr vor daß sie sie in so übeln Ruf gebracht habe, daß jeder der sie erblicke, sie tödten werde. Die Aberschlange sagt zu ihrem Volk „ich will Gott bitten uns alle zu verbergen; ich habe etwas Böses gethan. Wartet auf mich bis ich wieder komme.“ Sie geht ganz allein zu unserm Herrn und erzählt ihm die Unthat die sie begangen hat: sie habe nicht gewußt daß ihr Biß tödtlich sei. Sie bittet ihn dann er möge sie und die Ihrigen verbergen, sonst würden sie getödtet, wenn sie jemand erblicke. Der Herr antwortet „thue in Zukunft nichts Böses, was du gethan hast, ist vorüber. Wenn die Tage, die ich gezählt und einem von euch gegeben habe, vorüber sind, so soll er sichtbar sein, und man wird ihn tödten, aber nicht der das thut tödtet ihn, sondern ich thue es. So lange aber bis jene Zeit vorüber ist, soll ihn niemand sehen.“ Daher sagt man, wenn man eine Schlange sieht, ihre Zeit sei vorüber.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_379.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)