Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 403.jpg

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Damajanti, die, ihrem ganzen Inhalt noch märchenhaft, aus dem Boden volksmäßiger Überlieferung muß hervorgewachsen sein.

Die persischen Märchen in Tuti Nameh entlehnte Nechschebi, der sein Gedicht im Jahr 1329 vollendete, aus indischen Quellen, und aus diesem Gedicht machte im 17ten Jahrhundert Mohamed Kaderi einen prosaischen Auszug, welcher jetzt gedruckt ist. Die Märchen sind fast alle schön, wiewohl das ältere Werk, von welchem Kosegarten aus einer Handschrift in der Vorrede Nachricht gibt, bei weitem den Vorzug verdient. Einige kommen mit deutschen Märchen zusammen, wie ich in den Anmerkungen zu Nr. 62. 102. 119 gezeigt habe. Übrigens läßt sich auch hier schon die Absicht erkennen eine gute Lehre zu ertheilen. Dagegen auf persischem Boden gewachsen sind die Märchen, die in Malcolms Werk in bester Auffassung vorkommen. Hier tritt die Übereinstimmung mit deutschen deutlich hervor. Amin der kluge berückt einen übermächtigen Ghul (bösen Geist) in derselben Weise, wie das Schneiderlein den Riesen (Nr. 20): selbst einzelne Züge stimmen überein. Der Schneider spiegelt dem Riesen vor, wie Amin dem Ghul, er könne Wasser aus einem Stein drücken, was jener durch einen Käs, dieser durch ein Ei bewirkt, das sie statt des Steins in die Hand nehmen; die Iren haben eine entsprechende Redensart (K. v. K. 1, 73) „er ist so stark daß er Lab und Molken aus einem Stein drückt.“ Ferner entgeht das Schneiderlein wie Amin dem Schlag, mit welchem das Ungethüm sie in der Nacht tödten will, dadurch daß sie in der Höhle ihre Lagerstätte vertauschen. In einer andern Erzählung erinnert der Schuhflicker Achmed, der als Sterndeuter vom Zufall begünstigt die geheimsten Dinge an den Tag bringt und zu großem Ansehen gelangt, an den armen Bauer Krebs (Nr. 98), der als Doctor Allwissend auftritt und auf gleiche Weise zu Ehren kommt; hier ist ein Zusammenhang bei aller Verschiedenheit der Ausführung nicht leicht zu verkennen. Über die altpersischen Sagen bei Firdusi breitet sich zwar der epische Schein der Geschichte, doch manches ist ganz märchenhaft wie z. B. die Erzählung von der Simurg, die als Riesenvogel ihr Wundernest auf den Gipfel eines Baums gebaut hat. Dorthin bringt sie einen ausgesetzten königlichen Knaben und gibt ihm beim Abschied eine ihrer Federn, die er bei großer Gefahr ins Feuer werfen soll, dann will sie herbei eilen und ihn in ihr Reich tragen. Auf anderes habe ich schon oben hingewiesen.

Äußert sich in den Werken von Somadeva und Nechschebi das

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_403.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)