Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 407.jpg

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verrichten und Spott erdulden: er ist der Verachtete, der in der Asche am Herde seinen Platz, unter der Treppe seine Schlafstätte hat. So muß in der altfranzösischen Sage der starke Rennewart Küchendienste thun, und der britische Parzival, der einen Anflug davon hat, heißt der tumbe klâre, doch eine höhere Kraft und Freudigkeit leuchtet bei den jugendlichen Helden schon durch. In den Märchen ist er gewöhnlich bei jüngste von drei Brüdern, den die beiden andern mit Stolz und Hochmuth zurück weisen. Kommt es aber zur That, so erhebt er sich schnell, und er allein vermag die Aufgabe zu lösen, die den Vorzug unter ihnen bestimmt, denn ihm hat eine höhere Macht beigestanden und den Sieg verliehen. Unterliegt er dem Verrath und verliert das Leben, so verkündigt lange nachher der hervor gespülte, weiß gebleichte Knochen die Unthat, damit sie nicht ungestraft bleibe.

Plump und tölpelhaft sind die Riesen, klug und listig die Zwerge. Die Eigenschaften der letztern werden gesteigert in dem Däumling, dem alle die geheimen Kräfte eigen sind, die dem Finger, von dem er den Namen hat, beigelegt werden. Klug und verschlagen berückt er, äfft und neckt jedermann. Die Unfälle, in welche ihn seine winzige Gestalt bringt, weiß er zu überwinden. Das Glück ist ihm günstig und läßt die prahlerischen Lobsprüche die er sich beilegt, in Erfüllung gehen. Als behendes Schneiderlein schreckt er Riesen, tödtet Ungeheuer und weiß die schwersten Räthsel zu lösen.

Wird die Albernheit unter dem Schein eines breiten Verstandes und mit sichtbarem Wohlgefallen, aber mit voller Gutmüthigkeit betrieben, so kommen die Lalenbürger zum Vorschein, deren Narrheiten das bekannte deutsche Buch in einigem Zusammenhang darstellt, wie die nicht minder treffliche indische Erzählung von Paramarta. Die liebe Dummheit ohne alle Zuthat kommt bei Catherlieschen, dem Frieder (Nr. 59) gegenüber, glänzend an den Tag und ist ebenso natürlich in dem Märchen vom gescheidten Hans (Nr. 32 und Vogls Großmütterchen S. 93) geschildert; in dem abenteuerlichen Zug der sieben Schwaben macht sie sich auf andere Weise Luft. Eingemischte Schalkheit führt zu den Streichen Eulenspiegels, die älter sind als man glaubt: schon der Riese Kullervo in Kalevala richtet unter dem Schein der Folgsamkeit was ihm aufgegeben wird so verkehrt aus daß es zum Verderben ausschlagen muß. Schadenfreude steht bei dem Bäuerlein (Nr. 61) im Hintergrund, das sich anfänglich nur dumm anstellt, dann aber, immer weiter schreitend, das Schlimmste unter der

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_407.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)