Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1857 I 429.jpg

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Wie er aber hinblickte, sah er einen herrlichen, goldenen Mann im Bette, und die abgeworfenen Bärenfelle lagen auf der Erde. Da gieng er zurück und dachte „wie gut ists, daß ich meinen Zorn bändigte, ich hätte eine große Missethat begangen.“

Dem Goldkind aber träumte er zöge hinaus auf die Jagd nach einem prächtigen Hirsch, und als er am Morgen erwachte, sprach er zu seiner Braut „ich will hinaus auf die Jagd.“ Ihr war angst, und sie bat ihn da zu bleiben und sagte „leicht kann dir ein großes Unglück begegnen,“ aber er antwortete „ich soll und muß fort.“ Da stand er auf und zog hinaus in den Wald, und gar nicht lange, so hielt auch ein stolzer Hirsch vor ihm, ganz nach seinem Traume. Er legte an und wollte ihn schießen, aber der Hirsch sprang fort. Da jagte er ihm nach, über Graben und durch Gebüsche, und ward nicht müde den ganzen Tag; am Abend aber verschwand der Hirsch vor seinen Augen. Und als das Goldkind sich umsah, so stand er vor einem kleinen Haus, darin saß eine Hexe. Er klopfte an, und ein Mütterchen kam heraus und fragte „was wollt ihr so spät noch mitten in dem großen Wald?“ Er sprach „habt ihr keinen Hirsch gesehen?“ „Ja,“ antwortete sie, „den Hirsch kenn ich wohl,“ und ein Hündlein, das mit ihr aus dem Haus gekommen war, bellte dabei den Mann heftig an. „Willst du schweigen, du böse Kröte,“ sprach er, „sonst schieß ich dich todt.“ Da rief die Hexe zornig „was, mein Hündchen willst du tödten!“ und verwandelte ihn alsbald, daß er da lag wie ein Stein, und seine Braut erwartete ihn umsonst und dachte „es ist gewiß eingetroffen, was mir so Angst machte und so schwer auf dem Herzen lag.“

Daheim aber stand der andere Bruder bei den Goldlilien, als plötzlich eine davon umfiel. „Ach Gott,“ sprach er, „meinem Bruder ist ein großes Unglück zugestoßen, ich muß fort, ob ich ihn vielleicht errette.“ Da sagte der Vater „bleib hier, wenn ich auch dich verliere, was soll ich anfangen?“ Er aber antwortete „ich

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1857). Göttingen 1857, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1857_I_429.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)