Seite:Kinder und Hausmärchen Grimm 1843 I 097.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„der Wind, der Wind,
das himmlische Kind,“

und aßen weiter, ohne sich irre machen zu lassen. Hänsel, dem das Dach sehr gut schmeckte, riß sich ein großes Stück davon herunter, und Grethel stieß eine ganze runde Fensterscheibe heraus, setzte sich damit, und ließ es sich schmecken. Da gieng auf einmal die Thüre auf, und eine steinalte Frau, die sich auf eine Krücke stützte, kam herausgeschlichen. Hänsel und Grethel erschraken so gewaltig, daß sie fallen ließen was sie in den Händen hielten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopfe, und sprach „ei, ihr lieben Kinder, wer hat euch hierher gebracht? kommt nur herein, und bleibt bei mir, ihr sollts gut haben.“ Sie faßte beide an der Hand und führte sie in ihr Häuschen. Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannekuchen mit Zucker, Äpfel und Nüsse. Darnach wurden zwei schöne Bettlein weiß gedeckt, und Hänsel und Grethel legten sich hinein, und meinten sie wären im Himmel.

Die Alte hatte sich nur so freundlich angestellt, sie war eine böse Hexe, die den Kindern auflauerte, und sie hatte das Brothäuslein bloß gebaut um sie herbeizulocken. Wenn eins in ihre Gewalt kam, so machte sie es todt, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Als Hänsel und Grethel sich dem Haus genähert hatten, da hatte sie boshaft gelacht und höhnisch ausgerufen „die sollen mir nicht entwischen.“ Früh Morgens, ehe die Kinder erwacht waren, stand sie schon auf, und als sie beide so lieblich ruhen sah, mit den vollen rothen Backen, so murmelte sie vor sich hin „das wird ein guter Bissen werden.“

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1843). Göttingen 1843, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1843_I_097.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)