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„Zu Pferd!“ Des alten Gaucho Faust

Die Mähne packt – ein Sprung, ein Schrei,
Und wie das Blei dem Rohr entsaust,
So schnellt das Roß – es fühlt sich frei.

Hei! wie die Luft den Poncho greift

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Und wild dir an die Schultern schlägt –

Hei! wie der Wind dein Haar durchpfeift,
Und wirr Dir um die Schläfe jägt.

Die Zügel locker in der Hand,
Die Linke fest am Büchsenlauf,

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Und hinten aus stiebt Kies und Sand

Und Sand und Staub fliegt wirbelnd auf.

„Greif’ aus, mein Thier – nicht Rast, noch Ruh –
Im Rücken liegt die weite See;
Greif’ aus, greif’ aus und trag, mich zu

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Der Cordillere ew’gem Schnee.


Hier gilt es keinen Ritt zum Spiel,
Wie Nachmittags zum Thor hinaus;
Ein ganzer Welttheil ist das Ziel.
Hindurch, mein wack’res Thier! Greif’ aus!“


Imeo.

„Bin ich denn in einem wilden
Märchenhaften Traum befangen,
Wo aus tollen Truggebilden
Weite Riesenarme langen.

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Und mich tiefer nur und schneller

In ihr Fabelreich entführen,
Während heller doch und heller
Sich die Gruppen selbst formiren?

Stehen denn nicht dort die Palmen

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Mit den schwankend grünen Dächern,

Wie ein Wald von Riesenhalmen,
Hochgekrönt mit schlanken Fächern?

Dort breitblätt’rige Bananen
Dicht gemischt mit den Limonen,

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Hier die Brodfrucht, die Platanen,

All’ die Früchte heißer Zonen?

Und tief unter mir die weiten
Wunderbaren Baumkorallen,
Ueberdeckt von einem breiten

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Dome funkelnder Crystallen?


Berge bilden sie und Seen,
Schroffe Hänge, düst’re Schluchten;
Weite Felder, sanfte Höhen,
Ströme – friedlich stille Buchten.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Gerstäcker: Klänge aus den Tropen. A. H. Payne, Leipzig 1876, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kl%C3%A4nge_aus_den_Tropen-Gerstaecker-1876.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)