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Tat umzusetzen versuchten (denn was ist die Idee ohne die Tat? Das ist wie Seele ohne Leib, wie Duft ohne Blume): sie starben, als sie von ihm verlassen wurden, hingeschlachtet von den Schwerthieben der Söldner, mit dem Ruf: „Eine feste Burg ist unser Gott ...“ Luthers kernige und fröhliche Tischreden, die von seinen Freunden aufgezeichnet wurden, beweisen, was für ein großer Redner er war. Er steckte damit wohl alle heutigen Volkstribunen in die Tasche: nur schade, daß er selber kein Volks-, sondern ein Fürstentribun war.

Luther starb 1546 in Eisleben. Von seiner geistlichen Lyrik nahm das evangelische Kirchenlied seinen Anfang. Ihre schönsten geistlichen Lieder verdankt die evangelische Kirche Paul Gerhard (1607–1676, starb in Lübben als Prediger). Ein einfaches Gemüt paart sich mit einem streitbaren Gotteseifer und einem unbeirrbaren poetischen Formgefühl. Wir alle, die wir Evangelische (ach! keine Evangelisten mehr ...) sind, haben als Kinder diese Gedichte in der Konfirmationsstunde auswendig gelernt und in der kahlen Dorfkirche gesungen. In ihnen durfte sich das kindliche Gemüt Gott wahrhaft nah fühlen. Die Musik dieser Verse strich uns, wenn der lahme Küster die Orgel spielte, wie mit Vaterhänden über die Stirn, und unsere kindlichen Sorgen beschwichtigte das singende Geständnis, das unsere Lippen hauchten: Ich weiß, daß ein Erlöser lebt ... Abends aber, wenn nach des Tages Arbeit wir mit Vater und Mutter und mit den Knechten und Mägden vor der Tür in der lauen Sommerluft saßen, eine Kuh verschlafen im Stalle muhte, die Hühner auf der Stange hockten, den Kopf im Gefieder, dann stimmte wohl mein Großvater an und wir fielen alle leise ein:

Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt’ und Felder ...

Von der lutherischen zur katholischen Kirche trat Angelus Silesius, der cherubinische Wandersmann, über. Er schrieb nach seiner Bekehrung jene mystischen Zweizeiler, in denen die

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_024.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)