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neben der Venus besonders den Göttern Mars und Mors. Er schrieb schwulstige Tragödien von schauerlicher Blutrünstigkeit. Der Entfaltung der Sitten und der Entwicklung der Jugend war die damalige Zeit, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, nicht gerade günstig. Im großen und im kleinen wurde geplündert, gemordet und vergewaltigt. Der Fürst vergewaltigte das Land, der Landsknecht die Bauernmagd. Zum Besten des Vaterlandes und zu höherer Ehre Gottes wurden die abscheulichsten Taten getan. Der Wiener Hofkapuziner Abraham a Santa Clara wetterte in seinen Reden und Predigten mit Stentorstimme und einem gewaltigen Aufwand an schnurrigem Pathos gegen die Sittenlosigkeit, wobei er wenig genug ausrichtete. Der Elsässer Moscherosch (1601–1669) malte in seinen „Gesichten Philanders von Sittewald“ die Verrottung der Zeit, die ihre höchste dichterische Formung in Christoph von Grimmelshausens „Abenteuerlichem Simplizissimus“ fand. Neben dem Grübler Faust, dem weisen Narren Eulenspiegel kann man den reinen Toren Parsifal als die dritte Verkörperung der deutschen Seele ansprechen. Parsifal heißt bei Grimmelshausen Simplizissimus. Alle die vielfältigen Anfechtungen besiegt und überwindet die einfältige Seele, die groß und einfach in sich selber ruht, wie eine Perle in der Muschel. Der Hintergrund des Romans ist das zerrissene und zertretene Deutschland des Dreißigjährigen Krieges. Andreas Gryphius (aus Großglogau, 1616–1664) erlebte das allgemeine Elend seiner Zeit am eigenen Leibe und an eigener Seele nicht typisch wie Grimmelshausen, sondern individuell: und es gelang ihm, es bis zur reinsten lyrischen Gestaltung zu verklären. Es ist nicht zu verwundern, daß das Leitmotiv seiner Gedichte ein religiöses wurde: es ist das christliche Symbol von der Vergänglichkeit des Menschen und der Eitelkeit alles Irdischen. Dieses ursprünglich religiöse und fast kirchlich-dogmatische Gefühl vertieft sich in seinen Sonetten grandios künstlerisch zur Weltanschauung einer erschütternden Resignation

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_026.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)