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und eines erhaben schmerzlichen Pessimismus. Die grauenvolle Zeit, die in dem Krieg und in dem Frieden, in dem wir heute gezwungen sind zu leben und zu sterben, eine Parallele findet, duldete keines fröhlichen Weltfreundes rosenroten Optimismus. Vanita! Vanitatum . vanitas! Es ist alles eitel. Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen – dies ist die bitterste Erfahrung, die uns auch der große Krieg von 1914–1918 gelehrt hat. Lüge, Heuchelei, Mammonismus und Materialismus haben die Seelen regiert, und wo ist jemand, der da sprechen kann, daß die seine im Schwertertanz ums goldene Kalb ganz frei davon geblieben? Stoßt das goldene Kalb vom Sockel und setzt eine weiße Marmorstatue der Göttin der Liebe, der Welt- und Gott- und Menschenliebe an seiner statt und nehmt euch bei den Händen und schlingt um das Denkmal wie mit Rosenketten den Frühlingsreigen einer neuen Zeit. – Elegie und Ironie wohnen nahe beieinander. In Gryphius’ Lustspiel „Horribilicribrifax“ schwingt er spöttischen Mundes die Geißel über Halbbildung und Phrasentum, die sich als Folge der Überschätzung alles Militärischen besonders beim Offiziersstand bemerkbar machten. Der aufschneiderische Maulheld Horribilicribrifax ist eine köstliche Figur, die man auch heute noch leibhaftig herumlaufen sehen kann. – Einen bürgerlichen Maulhelden nahm sich Christian Reuter, ein Leipziger Student (geboren 1665), eine unstete Vagantennatur, die irgendwo im Elend verdarb und starb, zum Vorbild: es ist der Signor Eustachius Schelmuffski, dessen wahrhaftige, kuriöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und zu Lande auf das vollkommenste und akkurateste er an den Tag gab. Diese lügenhafte Reisegeschichte, die Schelmuffski über Schweden, die Bretagne, Rom bis nach Indien führt (sie ist dem hochgeborenen großen Mogul dem Älteren, weltberühmten Könige oder vielmehr Kaiser in Indien gewidmet ...) ist einer der besten komischen Romane der Deutschen und nebenbei ein ergötzlicher Zeitspiegel. Auch Gryphius und Grimmelshausen

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_027.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)