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er sich reichlich temperamentvoll, wie er mit den französischen Klassikern herumfährt, daß ihnen nur so der Puder aus den Perücken fährt. Er restituiert Aristoteles und versetzt die wahre tragische Handlung in die Seele des Menschen. Den Regeln, die er in der Hamburgischen Dramaturgie aufgestellt, versucht er nun auch in einigen Dramen nachzuleben. In Miß Sara Sampson wagt er das Drama von jeder Staatsaktion zu entkleiden und steigt ins gut, ins schlecht bürgerliche Milieu hinab. Er wollte beweisen, daß nicht bloß eine Prinzessin, sondern auch ein einfaches Bürgermädchen seine Tragödie erleben kann. Die französischen Klassiker reservierten prinzipiell das Tragische den Herren und Damen vom Hofe und den Göttern. In „Minna von Barnhelm“ haben wir, trotz mancher Schwächen im einzelnen, eine wirkliche Dichtung. Professor Lessing lege seinen ersten Titel ab und sei fortan Dichter Lessing genannt. Mit dem Prinzen von Homburg ist der Major von Tellheim einer der wenigen sympathischen preußischen Charaktere in der deutschen Dichtung. In „Emilia Galotti“ tritt Lessing unter der Maske des Odoardo als Richter den Fürsten seiner Zeit entgegen. Und sei hier nicht mehr Dichter, sondern Richter Lessing genannt. In „Nathan dem Weisen“ faßt Lessing seine drei bisherigen Berufe noch einmal zusammen: Hier ist er der Philosoph, der Dichter, der Richter in eins. Hier predigt er die allgemeine Toleranz, die große Liebe. Der christliche Tempelherr, der Mohammedaner Saladin und der Jude Nathan feiern den Bruderbund der Menschheit. Die gute Idee ist nichts ohne die gute Tat. Gut denken heiße: gut sein. Zwei Jahre nach der Vollendung des Nathan vollendete sich Lessing selbst.


Das Größte an Klopstock (aus Quedlinburg, 1724–1803) ist sein patriarchalisches Pathos. Es scheint, als hätte er schon Schulpforta mit 19 Jahren als Patriarch und Weltweiser verlassen.

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_034.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)