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nach einem „Sturm und Drang“ (1776) betitelten Drama eines der ihren, des Maximilian Klinger: Stürmer und Dränger. Klinger war ein Freund Goethes, und aus ihrem Kreise ist dann auch, betreut von Herders wachsamem Auge, der Stürmer und Dränger hervorgegangen, der sie alle überstürmen und zurückdrängen sollte: Goethe. Wie die Bruderbünde der heutigen jungen Dichter hatten sowohl die Hainbündler wie die Stürmer und Dränger die Brüderlichkeit, die Weltumarmung, die Menschlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben, und Freundschaft galt ihnen als ein heiliges Wort. Die bedeutendsten Mitglieder des Hainbundes waren Johann Heinrich Voß aus Mecklenburg (1751 bis 1826) und Ludwig Hölty, der 1776 im jugendlichen Alter von 28 Jahren starb; der Apollo und Adonis des Bundes: gepriesen als der Liebling der Götter. Voß, der auch später die Redaktion des Bundesorganes des Göttinger Musenalmanachs übernahm, darf eigenen dichterischen Wert höchstens als Idylliker (Luise, Der siebzigste Geburtstag) beanspruchen. Zu den harmlosen, aber hübschen Hexametern war er angeregt worden durch seine Übersetzungen der Homerschen Odyssee (1781) und Ilias, die an Wert und Wirkung den Herderschen Stimmen der Völker in Liedern wenig nachstehen und den Blick der Deutschen auch auf das griechische Heldenepos lenkten. Wenn Achilles und Hektor in Deutschland so volkstümliche Figuren geworden sind wie Siegfried und Hagen, wenn Zeus und Hera in der Götterwelt Wodan und Freya den Rang streitig machen, so ist’s das Verdienst von Voß, dem Ganymed, der lockige Schenke, im olympischen Saale dafür einen besonderen Humpen Nektar kredenzen möge! – Im Pantheon des Hainbundes standen die Hermen von Ossian, Klopstock und Herder. Dagegen erscholl an die Adresse Wielands in jeder Bundessitzung ein dreifach kräftiges Pereat[1]. Dieser war in ihren Augen ein allzu ungezogener Liebling der Grazien. Seine charmanten Frivolitäten, sein graziöser, klingender Stil, spielend wie eine Wasserkunst

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Pereat! (lat.), er komme um! gehe unter! verderbe! (Gegensatz zu Vivat!). [Meyer Bd. 15 (1905), S. 578]
Empfohlene Zitierweise:
Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_036.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)