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sie schweigend in ihren Anstaltskleidern das vorgeschriebene Kreisrund, bis die Zeit erfüllet ward. Seine Dramenhelden: der Herzog von Gotland, Napoleon, Hannibal, haben alle etwas von Zuchthäuslern, die an den Stäben ihres Gefängnisses rütteln: vergeblich. Der Zwiespalt zwischen Idee und Wirklichkeit scheint unentrinnbar. Der hehrste und heiligste Wille wird in den Staub gezogen: so wie Achilleus Hektors Leiche an seinem Wagen um die Mauern von Troja schleift ... Immer fällt Hektor, der Anwalt der reinen Idee, und immer siegt Achilleus, grobschlächtig und protzig, weil er die Macht und die realen Dinge hinter sich hat. Die tiefste Tragödie freilich spielt sich im Herzen des Menschen selber ab. Grabbes Stauffendramen (Heinrich VI., Barbarossa), vor allem aber Napoleon und Hannibal nähern sich der durch Faust und Wallenstein bezirkten großen Tragödie. Dieser Hannibal ist ein ungeheuerlicher Bursche. Eine riesige Termite, die in der winzigen Ameisenwelt, ein Held, der unter den Händlern zugrunde gehen muß. In Don Juan und Faust machte Grabbe den kühnen Versuch, den germanischen und den romanischen Typus nebeneinanderzustellen. Sein Lustspiel „Scherz, Ironie, Satire und tiefere Bedeutung“, in dem der Autor voll romantischer Ironie höchstpersönlich nicht ohne tiefere Bedeutung auftritt, bildet in seiner bäuerlichen und teuflischen Derbheit ein Gegenstück zu Georg Büchners zartem und schwankem Schwank „Leonce und Lena“ mit seinen zerbrechlichen Figuren und Kontroversen. Georg Büchner (aus dem Darmstädtischen, 1813–1837) konnte aber auch anders als sanft säuseln oder vertrottelt disputieren. Wie einen erratischen Block schleuderte er sein französisches Revolutionsdrama „Dantons Tod“ von sich. Auch in seiner von Gutzkow überlieferten Gestalt (die Urform ging verloren) gehört es zu den mächtigsten deutschen Dramen: hier ist erstmalig, wie später erst wieder bei Gerhart Hauptmanns „Weber“, ein ganzes Volk der Held. St. Juste, Robespierre, Danton, sind

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_070.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)