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jagen mir im Gedächtnis daran über den Rücken, und ich drücke den vereinigten Geistern von Laube und Essex pietätsvoll und gerührt die Hand. Zu meinen erfreulichsten Jugenderinnerungen aus dem Gebiete der Literatur gehören auch Willibald Alexis (aus Breslau, 1798–1871), in den Schullesebüchern immer mit dem homerischen Beinamen „der Vortreffliche“ geehrt, welcher nicht undichterische historische Romane aus meiner engeren Heimat schrieb: „Die Hosen des Herrn von Bredow“, „Der Roland von Berlin“, und Wilhelm Hauff (aus Stuttgart, 1802–1827), in den Schullesebüchern ein wenig zärtlich, aber auch ein wenig von oben herab, „der Jugendliche“ genannt. Zu der Geste des Von-oben-herab ist bei ihm nun keine Veranlassung. Er ist kein großer Dichter: zu den Klassikern haben ihn nur die Fabrikanten von Klassikerliteratur gemacht: denen genügen Schiller, Goethe, Kleist aus Geschäftsgründen nicht, die Brautpaare verlangen beim Heiraten zur Komplettierung ihrer Wohnungseinrichtung eine ganze Klassikerausstattung: dazu gehören denn auch vor allen Dingen Theodor Körner und eine ganze Anzahl völlig unmöglicher und verstaubter alter Herren wie Gaudy, Gutzkow, Laube usw. Hauff ist nun ganz und gar nicht verstaubt. Er ist kein großer Dichter, aber ein Dichter, ein Erzähler von prachtvoller novellistischer Begabung, wie seine Märchen und Novellen beweisen. Ein Glanzstück unserer novellistischen Poesie gelang einem Franzosen: Adalbert von Chamisso (aus der Champagne, 1781–1838) mit seinem Peter Schlemihl, dem Mann, der seinen Schatten verkauft hat. Peter Schlemihl ist eine sinnbildliche und sprichwörtliche Figur geworden. Ich weiß allerdings nicht, ob er auf meine Mitbürger noch viel Eindruck macht. Sie sind ja längst gewohnt, nicht nur ihren Schatten, sondern auch den Schatten ihres Schattens, und die Sonne, die den Schatten hervorruft, zu verkaufen. Ja, sie verkaufen sogar Peter Schlehmils wundersame Geschichte, statt sie einem jeden gratis ins Haus zu bringen,

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_072.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)