Seite:Knortz - Hexen, Teufel und Blocksbergspuk in Geschichte, Sage und Literatur.pdf/53

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Veden lehren, daß die Götter früher sterblich waren und daß sie vom höchsten Wesen deshalb das Geschenk der Unsterblichkeit erhielten, weil sie demselben Blut geopfert hatten. Daß Jehova blutige Opfer angenehmer als unblutige sind, zeigt die Geschichte von Kain und Abel, so auch der Tod Jesu nach orthodoxer Auffassung.

Auch die Aegypter sahen im Blute das eigentliche Leben und erblickten im Herzen den Sitz desselben. Deshalb wurde auch das Herz als göttlicher Natur in den Mumien mit besonderer Sorgfalt einbalsamiert. Es wurde niemals gegessen, selbst das der Tiere nicht, wie einige Historiker behaupten. Wenn nach dem „Totenbuche“ die Seele sich vor den 42 Richtern zu verantworten und von ihren Handlungen Rechenschaft abzulegen hatte, führte sie als eine die erwartete Strafe mildernde Tatsache an, kein Herz gegessen zu haben.

Daß die Aegypter im Herzen die Quelle des Lebens sahen, geht auch aus dem „Märchen von zwei Brüdern“ hervor, von dem der verstorbene G. Ebers in seinem „Wunderbuche“[1] eine getreue Übersetzung geliefert hat. Daß es in Aegypten auch Blutbündnisse gab, erwähnt Ebers in seinem Romane „Uarda“. Als der Arzt Nebschecht das Leben Uardas gerettet hatte, sprach ihr Vater Kaschta zu ihm, um seine Dankbarkeit zu zeigen: „Wenn du jemals Hilfe gebrauchen solltest, so rufe mich, und ich werde dich gegen zwanzig Feinde verteidigen. Du hast mein Kind am Leben erhalten – gut; Leben für Leben – ich erkläre mich für deinen Blutsbruder – hier –.“

Mit diesen Worten zog er seinen Dolch aus dem Gürtel, ritzte seinen Arm und ließ Blut auf einen Stein zu Füßen Nebschechts tröpfeln. „Sieh’“, sprach er, „hier ist mein Blut; Kaschta hat sich hier unterzeichnet – du kannst über mein Leben verfügen, wie ich über das deinige.“[2]


  1. Stuttgart 1899. Von dem hieratischen Texte, dessen Original sich im britischen Museum befindet (Papyros D’ Orbiney), veröffentlichte der Deutschamerikaner Moldenke in Newyork, einen zuverlässigen Abdruck.
  2. Ich zittiere hier frei nach der englischen Ausgabe.