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Ferner werden von der Hauptredaktion auch die Geburts- und Todestage, namentlich in neueren Biographien, sorgfältig geprüft. Es ist dies keine so leichte Aufgabe wie mancher glaubt; oft finden sich in 11 verschiedenen Handbüchern und Lexiken von Ruf und Ansehen auch 11 verschiedene Angaben über den Todestag eines Mannes (so z. B. des Grafen Bentzel-Sternau) und es hält oft unglaublich schwer, das richtige Datum zu konstatiren.

Bis zur wirklichen Ablieferung an die Offizinen der Verlagshandlung hat nun das Manuskript noch verschiedene Stadien zu durchlaufen, die mit untrüglicher Regelmäßigkeit wiederkehren, von denen keines übersprungen werden darf, ohne daß dadurch ganze Reihen der dem Leser längst vertraut gewordenen äußeren Kennzeichen abhanden kommen würden. Denn jetzt beginnt die Thätigkeit des Mannes, der speziell den Beruf hat, dem Konversationslexikon im Aeußeren diejenigen Merkmale aufzudrücken, deren konsequente Durchführung gerade das Meyersche Werk so vortheilhaft von anderen unterscheidet und für den praktischen Gebrauch des Nichtgelehrten so werthvoll macht.

Da handelt es sich zunächst um die untrügliche Feststellung des Alphabets, um dem Leser das Aufsuchen zu vereinfachen und zu erleichtern, und spätere Aenderungen und Umstellungen in Satz und Schrift zu vermeiden. Da ist die Aussprache und Betonung hinter dem Stichwort fremder Zunge mit kleiner Schrift und in Klammern hinzuzufügen. Auch diese Arbeit stößt oft auf ganz unerwartete Schwierigkeiten, in manchen Fällen ist die wirkliche Aussprache fast unmöglich festzustellen. „Als wir unsern in Oxford lebenden Mitarbeiter,“ berichtet mein Gewährsmann, „wegen der unergründlichen Aussprache des englischen Dichter Aïdé zu Rathe zogen, ergab sich das Seltsame, daß dieser Name von vier auf der Oxforder Bibliothek anwesenden Engländern vierfach verschieden ausgesprochen wurde. Da war es doch besser, die Aussprache ganz wegfallen zu lassen und ähnlich geht es in so manchen anderen Fällen.“

Eine weitere Arbeit der Hauptredaktion ist auf die höchste bibliographische Genauigkeit gerichtet. Wenige ahnen, wie viel Anstrengung und Ausdauer das fortwährende Aufschlagen der Tausende von Büchertiteln in deutscher und fremder Sprache erheischt, die den gleichen Anspruch auf Korrektheit haben, wie jeder andere Gegenstand des Konversationslexikons.

Endlich ist eine scharfe Kontrole der „Verweisungen“ nothwendig, ehe das Manuskript in den Setzersaal wandert. Damit der Leser auch wirklich den Artikel findet, auf den er „verwiesen“ wurde, ist nun in der Hauptredaktion ein lebender Apparat erfunden worden, zu dessen Bedienung mindestens fünf Personen erforderlich sind, deren Thätigkeit es zu verdanken ist, wenn die Besitzer des Lexikons mit dem beliebten „(s. d.)“ nicht in die Irre geführt werden, und dessen Spürsystem bis unmittelbar vor den Druck reicht.

Gleichzeitig mit der Fertigstellung des Manuskriptes werden auch die Illustrationen besorgt, die theils als Beilagen, theils als Textbilder im „Meyer“ auftreten. Es sind das keine zusammengelesene Clichés aus anderen Werken, sondern durchweg eigens für das Konversationslexikon hergestellte Zeichnungen, auf deren Schnitt und Druck eine eben so sorgfältige Mühe verwandt wird, wie auf ihre Anfertigung.

„Auch hier drohen,“ erzählte u. a. mein Gewährsmann, „noch ganz unvorhergesehene Hindernisse den flotten Gang des Druckes zu unterbrechen. So wartete unser Freund B. in Berlin auf eine günstige Gelegenheit, eine einzige ihm noch fehlende Pflanze auf unserer Tafel „Giftpflanzen“ in Blüte zu sehen; denn so viel als möglich sind diese Tafeln nach der Natur gezeichnet. Ein Sonntagsausflug in den Grunewald gewährt ihm endlich das ersehnte Glück, und während der Buchbinder schon das Heft zurüstet, in welchem die Tafel erscheinen soll, zeichnet Herr B. noch seine Pflanze, worauf es noch der Arbeit des Holzschneiders bedarf, um die Platte rechtzeitig fertig zu stellen. Halten Sie es nicht für übertrieben, wenn ich Ihnen versichere, daß sich Erinnerungen ähnlicher Art an die Mehrzahl der Tafeln knüpfen, über die Sie sich so lobend aussprechen.“

Inzwischen hat ein Schwarm von Schriftsetzern, die sämtlich auf die vorgeschriebene „Hausorthographie“ eingeübt sind, den Satz so rasch gefördert, daß es möglich ist, das Werk mit der Pünktlichkeit einer Tageszeitung erscheinen zu lassen; auch nicht ein Erscheinungstermin ist bei den 256 Heften versäumt worden. Daß trotz aller Sorgfalt der wiederholten Revisionen und Korrekturen des Satzes dennoch dieser oder jener Druckfehler stehen bleibt, wird gewiß keinen verwundern, der mit dem schwersten Kreuz aller Leute von der Presse nur einigermaßen bekannt ist.

Doch genug der Andeutungen darüber, wie ein Konversationslexikon gemacht wird. Uns hat der Einblick in diesen trefflich gegliederten und meisterhaft beherrschten Organismus zu erneutem Danke angeregt gegen den trefflichen Herausgeber dieses nützlichen Werkes, wie gegen seine gelehrten Mitarbeiter, welche die großartige Summe unseres Wissens mit rastloser Mühe zu so bequemer Benutzung in handliche Münze ausgeprägt haben. R. K.




Empfohlene Zitierweise:
Robert Koenig: Wie ein Konversationslexikon gemacht wird. Velhagen & Klasing, Leipzig 1879, Seite 772. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Koenig_Wie_ein_Konversationslexikon_gemacht_wird_1879.pdf/3&oldid=- (Version vom 15.9.2022)