Seite:Kreyssig-Die Dichter der Befreiungskriege.pdf/10

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Schneidigkeit sich auch in seinen, doch auf volksthümliche Wirkung berechneten „Spott- und Ehrenliedern“ deutlich genug herausfühlt. Man hat Rückert’s Sonette als die eigentlich poetische Blüthe der Kriegs­zeit, als deren größte dichterische That gepriesen. Ohne Zweifel enthalten sie zündende, wuchtige Gedanken in immer kunstreicher, und oft auch mächtig einschlagender Sprache. Unerbittlich, wie keine andere zeitgenössische Kund­gebung, zeigen sie dem zerklüfteten, geknechteten, durch seine Dichter und Denker kaum weniger als durch seine Feldherren und Staatsmänner im Stiche gelassenen Vaterland das Bild seines Elends, seiner Schande:

„Hört wol ein Gott Eu’r loses Wortgesumme?
Er hör’s, daß er die Leir’ Euch schlag’ in Splitter,
Und Euch schlag’ auf den Mund, daß er verstumme!“

Das ist für unsere kosmopolitischen Priester der abstracten Kunst. Und:

„Gleichwie die Juden, die ins Joch gebeugten,
Ausziehend aus Egypti Knechtschafsstande,
Nicht selbst anlangten im verheißnen Lande,
Sondern nur erst von ihnen die Erzeugten;

So lasse sich auch dies Geschlecht nicht deuchten,
Freiheit zu finden, weil es bricht die Bande;
Es muß verbrennen in dem Läutrungsbrande,
Das reine Licht wird erst den Enkeln leuchten.

Das war für Alle, und nur zu sehr traf es ein für die Väter. Möge es sich auch endlich, endlich an den Enkeln erfüllen, deren Blut heute in Strömen fließt! Allein von allen Dichtern der Freiheitskriege hat Rückert, unbeirrt durch den bekannten Kosakencultus jener Jahre, von unseren „Bun­desgenossen“ im Tone der Besorgniß und des Zornes zu sprechen gewagt, der Besorgniß um die Früchte des Sieges, des Zornes über die Schwäche, die der Bundesgenossen bedurfte. Wie es seinem Tadel nicht an erschüttern­der Wahrheit und Schärfe fehlte, so seinem ermuthigenden Worte nicht an Schwung, seiner Siegesfeier nicht an großartiger Würde. Und dennoch – daß wir es nur offen bekennen – wir haben bei aller Bewunderung dieser Kunstwerke, so oft wir sie lasen, den Gedanken an Rückert’s eigenes Wort nicht ganz los werden können, mit dem er „das Sonnett“ aus seinem Dienste zu anderen Herren entläßt:

„Wohl geh’ es Dir, als wie bei mir, bei ihnen!
Und daß sie nie Dir einen Fuß verstauchen,
Und nie die zarten Glieder Dir verrenken!

Das Sonett bleibt nun einmal ein zarter Fremdling in diesem germani­schen Norden, und es wird ihm schwer den Harnisch zu tragen. – Aber warum bleibt auch bei Rückert’s „Spott- und Ehrenliedern“ immer ein Rest, der eine reine, musikalische Wirkung nicht recht aufkommen läßt? Warum ist ihrer keines, oder so gut als keines, in das Volk, in das Heer gedrungen? Warum durchrieselt es uns nicht, wenn wir sie lesen wie bei den Gesängen Körner’s, Schenkendorf’s und Arndt’s? Warum fällt in ihnen der Scherz, der Humor des sonst doch so witzigen, geschmackvollen Dichters so oft geradezu in’s Platte und Gesuchte? Und doch ist es derselbe Sänger süßer und herr­licher Lieder, dessen Gedicht von den „drei Gesellen, die stritten wider’n Feind“ den Einheitsgedanken des auf die Freiheitskriege folgenden Geschlechtes, vom nichtpreußischen Standpunkte aus, so warm, so rührend ausspricht! Sollte es hier vielleicht in aller Behutsamkeit zu erwägen sein, daß es doch

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kreyßig: Die Dichter der Befreiungskriege. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreyssig-Die_Dichter_der_Befreiungskriege.pdf/10&oldid=- (Version vom 10.12.2016)