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in Wehmuth und Leid an der eigenen Lebensfülle sich aufrichtenden Jugendmuthes aus den unvergeßlichen Versen:

„Abend wird’s, des Tages Stürme schweigen,
Röther strahlt der Sonne letztes Glühn,
Und hier sitz’ ich unter neuen Zweigen,
Und das Herz ist mir so voll, so kühn!“

Wol schließt der tiefschmerzliche Mollaccord das Lied:

„Deutsches Volk, Du herrlichstes von Allen,
Deine Eichen stehn, Du bist gefallen!“

Aber bald wird es durch den „Trost“ übertönt, der auf die in den Herzen keimende Saat des Guten hinweist, auf Freundestreue und Wahrheit, auf Frauenunschuld und Frauenliebe, auf den religiös-sittlichen, vaterländischen Geist, der mächtig und mächtiger wird in tausend Herzen. Und als dann die ersehnte Stunde schlägt, als das „Licht der Freiheit hell aus dem Norden bricht“, wie dröhnt da der Posaunenton des „Aufrufes“ durch die Herzen der Jugend und der Männer! Wie packt noch heute, nach einem halben Jahrhundert, mit der Urgewalt der Wahrheit, jener ewige Schlachtruf des Volkskrieges:

„Zerbrich die Pflugschaar, laß den Meißel fallen,
Die Leier still, den Webstuhl ruhig stehn!
Verlasse Deine Höfe, Deine Hallen!
Vor dessen Antlitz Deine Fahnen wallen,
Er will sein Volk in Waffenrüstung sehn!“

Und er fand diese Töne; von ihm wenigstens war es heilige Wahrheit, wenn er das kühne Wort hinzufügte:

„Dies ist kein Kampf, um den die Kronen wissen,
Es ist ein Kreuzzug, ist ein heil’ger Krieg.
Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen
Hat der Tyrann aus Deiner Brust gerissen,
Errette sie mit Deiner Freiheit Sieg!“

So spricht denn auch aus der ganzen Reihe der nun folgenden Lieder, wie sie nach und nach entstanden, unter den frischen Eindrücken der Zeit, unter den Wechselfällen des Kampfes, rein und unverfälscht die Seele des großen Volkskrieges: das sich aufrichtende Bewußtsein der für ihre Hausgötter fechtenden „deutschen Art“, der Ingrimm gegen den Feind, die Zuversicht der Siegeshoffnung, kaum gedämpft durch die hier und da anklingende Todes­ahnung, und frei von jedem Mißton der Kritik, der Politik, des Parteien- und Sectenwesens. In warmem, aber durchaus nicht romantisch-mystisch gefärbten Gottvertrauen empfangen die ausziehenden Kämpfer ihre Weihe, rufen sie den „Lenker der Schlachten an, in dessen Hand sie ihr Leben be­fehlen“. Am Feuer der Feldwacht grüßen sie, in altgermanischer Weise, durch ernst-fröhlichen Abschiedstrunk die bevorstehende Schlacht. In „düsteren Reih’n“ senkt Lützows wilde, verwegene Jagd sich vom Wald hernieder. Lustig begrüßt der Reiter seine Eisenbraut, „das Schwert an seiner Linken“. Den „Buben hinter dem Ofen“ wird mit dem, keinen Spaß verstehenden Zorne der enthusiastischen Jugend ein kräftiges „Pfui!“ ins Gesicht geschleudert. Düstere Todesahnungen klingen durch die hochaufjauchzenden Lieder des Schlachtenmuthes, und rein, süß und majestätisch schwingt sich aus den wilden Fan­faren des Kriegslärms die Grundmelodie der Jünglings- und Dichterseele empor, die unstillbare, hoffnungsfreudige Glücks- und Liebessehnsucht der reinen, unverdorbenen Jugend:

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kreyßig: Die Dichter der Befreiungskriege. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreyssig-Die_Dichter_der_Befreiungskriege.pdf/5&oldid=- (Version vom 10.12.2016)