Seite:Kreyssig-Die Dichter der Befreiungskriege.pdf/8

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die deutsche Jugend hat lange genug in Glauben und Hoffnung gesungen:

„Freiheit, holdes Wesen,
Gläubig, kühn und zart,
Hast ja lang erlesen
Dir die deutsche Art.“

So Gott will, ist der Tag nicht mehr fern, der nach dem Glauben das Schauen bringt. Wie wenig übrigens Schenkendorf, bei aller gemüthsseligen Romantik, gegen die Unfertigkeit und die Gefahren der Tage blind war, das lassen die Schlußworte seines herrlichen „Frühlingsgrußes“ an das be­freite Vaterland wol nicht zweifelhaft:

„Aber einmal müßt Ihr ringen
Noch in ernster Geisterschlacht,
Und den letzten Feind bezwingen,
Der im Innern drohend wacht.
Haß und Argwohn müßt Ihr dämpfen,
Geiz und Neid und böse Lust.
Dann, nach langen schweren Kämpfen
Kannst Du ruhen, deutsche Brust.“

Hier tritt Schenkendorf ganz nahe an die Sphäre heran, in welcher der nächst Körner volksthümlichste Sänger dieses Kreises, der alte Moritz Arndt[1] sich mit Vorliebe bewegt. Arndt ist weder eine heroisch-überwallende Dichternatur wie Körner, noch eine musikalisch-innige wie Schenkendorf. Er zeigt ganz den Normaltypus seiner Ostseeheimat, ist vor allen Dingen der Mann des klaren Gedankens, des festen Willens, des treuen und edeln, aber nicht gerade weichen Herzens. Es bedurfte der harten Noth der Zeit, um aus diesem Stahle die Funken zu schlagen, die dann in Hunderttausenden deutscher Herzen gezündet haben. Auf viele seiner Lieder paßt geradezu das „Quem Apollo negat, facit indignatio versum“ („Weigert Apollo den Vers, so mag die Entrüstung ihn schaffen“). Oder wäre es wirklich der Gott des Parnaß gewesen, der z. B. den Vers inspirirte:

„Fahrt wol, ihr Franzosen, zur Ostsee hinab,
Und nehmt, Ohnehosen (!) den Walfisch zum Grab. (!!)“

Aber Arndt sang auch im Sturme des Zornes für die Zornigen, zunächst für das Volk in Waffen, die preußischen Soldaten, und die nehmen es mit einem Vergleiche, einer Wortweise nicht allzu genau, wenn nur im Ganzen „Zug in der Sache“ ist, und Stimmung und Schwung, wenn das rechte Ding beim rechten Namen genannt wird, daß man’s in allen Gliedern fühlt. Und da war Vater Arndt der Mann, der es verstand, ihnen vorzusingen „vom Feldmarschall, der reitet im fliegenden Saus“, oder von Schill:

„Es zog aus Berlin ein tapferer Held,
Der führte sechshundert Reiter in’s Feld.“

Aber auch mit den Streitern des Geistes wußte der, deutscher Wissenschaft und Geschichte wol kundige Dichter zu sprechen, mit der Auswahl der deutschen

  1. Ernst Moritz Arndt, geb. am 26. Dec. 1769 zu Schoritz auf Rügen, studirte 1791–94 zu Greifswald und Jena, wurde nach längeren Reisen Docent, später Professor in Greifswald, schrieb 1806 den „Geist der Zeit“ gegen Napo­leon, mußte deshalb nach Schweden flüchten, war 1810 wieder in Greifswald, wirkte 1812–15 unter und mit v. Stein für den Freiheitskampf, wurde 1818 Professor in Bonn. 1819 als Demagog suspendirt, 1840 wieder eingesetzt, starb 1860. – „Gedichte“, 1815. – „Kriegs- und Wehrlieder.“, 1815.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kreyßig: Die Dichter der Befreiungskriege. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreyssig-Die_Dichter_der_Befreiungskriege.pdf/8&oldid=- (Version vom 10.12.2016)