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Jugend, mit denen, die da berufen waren in großen und kleinen Kreisen das heilige Feuer weiter zu entzünden und zu erhalten. Wie Sturm fuhr in ihre Seelen das Wort:

„Laßt brausen, was da brausen kann,
In hellen lichten Flammen!
Ihr Deutschen alle Mann für Mann,
Für’s Vaterland zusammen.
Und hebt die Herzen himmelan,
Und himmelan die Hände,
Und rufet Alle, Mann für Mann:
Die Knechtschaft hat ein Ende!“

Das ist so eins von den deutschen Studentenliedern geworden, von denen man beim Singen den Eindruck hat, als hätte es sich selbst seine Melodie schaffen müssen. Wer aber merken will, daß der gesunde, von tiefer Ueberzeugung getragene Mannesgedanke des lyrischen Schwunges, der Pracht der Sprache und der Bilder nicht bedarf, um poetisch zu wirken, den erinnern wir an die Mahnung:

„Deutsches Herz, verzage nicht,
Thu’ was Dein Gewissen spricht,
Dieser Strahl des Himmelslichts:
Thue recht und fürchte Nichts.“

Oder an jenen Spruch:

„Wer ist ein Mann? Der beten kann,
Und Gott dem Herrn vertrauet;
Wenn Alles bricht, er zaget nicht,
Dem Frommen nimmer grauet.“

Ungleich vielen seiner Sangesgenossen war Arndt nicht nur in tief erregtem Gefühl, sondern mit klarer Würdigung und Ueberschau der streitenden Kräfte und ihrer Ziele in die Bewegung eingetreten. Er war Publicist und Ge­lehrter, ehe er Dichter wurde. Dem Verfasser des „Geistes der Zeit“, dem Vertrauten Stein’s war es um mehr zu thun, als um Erleichterung seines zornigen Herzens. Er sah, Einer der wenigen Wissenden, über die nächsten Ziele der Bewegung hinaus, nicht rückwärts in die Nebel des Mittelalters, sondern auf die Bahnen unserer Zukunft. So wurde er unter den Sängern der Freiheitskriege ein politischer Dichter im engern Sinne des Worts. Man hat gut spotten gehabt über das „Fragezeichenlied“. Es ist darum nicht weniger das Programm einer Bewegung geworden, die vielleicht selbst die Entscheidungen des Jahres 1870 noch überleben könnte. Und wer das köst­liche „Bundeslied“ („Sind wir vereint zur guten Stunde“) mit den Freiheits­liedern der Romantiker vergleicht, dem wird nicht verborgen bleiben, daß hier denn doch von einer andern Freiheit die Rede ist, als von der himmlischen Fee des Schenkendorf’schen traum- und liebeseligen Waldliedes. Freilich ist es auch noch von Arndt’s ernsten Mahnrufen ein guter Schritt bis zu der scharfen Kritik, mit welcher

Friedrich Rückert[1], bei aller heißen Vaterlandsliebe, in seinen „Ge­harnischten Sonetten“ die große Bewegung begleitete, und deren eigenthümliche

  1. Friedrich Rückert, geb. zu Schweinfurt am 16. Mai 1789, studirte in Jena, wurde 1811 Privatdocent, 1815 in Stuttgart Redacteur des Morgenblattes, 1826 Professor in Erlangen, 1841 in Berlin, zog sich 1849 auf sein Gut Neuses bei Coburg zurück, wo er 1866 starb. – Hierher gehören die „Deutschen Gedichte“, 1814, welche die „Geharnischten Sonette“ und die „Spott- und Ehrenlieder“ enthalten
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kreyßig: Die Dichter der Befreiungskriege. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreyssig-Die_Dichter_der_Befreiungskriege.pdf/9&oldid=- (Version vom 10.12.2016)