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das Wort Kunst in einem engeren Sinne gebraucht, der in früheren Zeiten nicht ohne weiteres verstanden worden wäre. Früher unterschied man die schönen Künste von den nützlichen Künsten und stellte damit eine weitgehende Ähnlichkeit zwischen beiden Arten der Betätigung fest. Daß gegenwärtig dieser Sprachgebrauch fast ganz verschwunden ist, liegt vermutlich am dem schädlichen Einflusse der normativen Ästhetik, der es nicht recht war, die praktischen Fertigkeiten mit den ästhetischen in einem Atem zu nennen. Hierdurch ist denn manche schiefe Auffassung der Kunst begründet, insbesondere die noch jetzt oft genug geltend gemachte Ansicht, die Kunst im engeren Sinne müsse vor allen Dingen etwas Unnützes sein, und sowie sie mit irgend etwas Nützlichem verbunden sei, höre sie auf, Kunst zu sein.

Ich will mich nicht lange mit der Widerlegung dieser offenbar unhaltbaren Ansicht aufhalten, sondern mich mit dem Hinweis begnügen, daß, wenn auch die Kunst im engeren Sinne nicht den Zweck hat, technische Gebrauchsgegenstände herzustellen, sie ihre erfreuliche Wirkung doch an jedem Gegenstande betätigen kann, welchem Zwecke dieser sonst noch dienen mag. Ebensowenig, wie ein Weinglas aufhört, ein Trinkgefäß zu sein, wenn man dies Gerät in einer für das Auge erfreulichen

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)