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die Wissenschaft von den Gefühlen selbst, die einen Teil der Psychologie bildet, und andererseits die Wissenschaft von den Hilfsmitteln solcher Gefühlserregungen. Letztere bezeichnet man zusammenfassend als die Technik der Kunst. Da nun die Kunst sich sehr mannigfaltiger Hilfsmittel bedient, um ihre Zwecke zu erreichen, so macht die technische Kunstlehre in der Tat, ähnlich der Heilkunst, von fast allen Gebieten der Naturwissenschaften Gebrauch.

Dies ist also die Antwort auf die Frage, die wir oben gestellt haben, ob nämlich die Wissenschaft der Kunst überhaupt dienlich und nützlich sein kann. Sie kann es in hohem Maße. Dem Goetheschen: „Wenn Ihrs nicht fühlt, Ihr werdets nicht erjagen“ kann man das Wort entgegenstellen: „Wenn Ihrs nicht könnt, vermögt Ihrs nicht zu sagen“. Was Goethe gemeint hat, besagt, daß ohne Gefühl eine Kunst unmöglich ist. Das entspricht ganz unserer Auffassung, daß die Gefühle eben die Aufgabe der Kunst sind. Was ich mir hinzuzufügen erlaubt habe, besagt, daß dem Künstler alles Gefühl, das er selbst besitzt, nicht zur Lösung seiner Aufgabe ausreicht, wenn er nicht weiß, wie er sein Gefühl in anderen hervorrufen kann, d. h. wenn ihm die Kenntnis der Mittel fehlt.

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)