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Dem Anfänger ist es beispielsweise außerordentlich schwer, die Wellenbewegung des Wassers zu angemessenem Ausdruck zu bringen, weil eben die Erscheinung so beweglich ist, daß er keines der beständig wechselnden Bilder festhalten kann; ebenso erscheinen ihm die Farben von einer verwirrenden Mannigfaltigkeit. Weiß er, daß jede Wellenbildung sich in die Übereinanderlagerung mehrerer regelmäßiger Wellensysteme auflösen läßt, so erkennt er bald auch diese Systeme etwa bei der Betrachtung des bewegten Meeres wieder, er versteht nun die verwirrende Mannigfaltigkeit aufzulösen und kann sie daher auch wiedergeben. Was die Farbe anlangt, so braucht er nur einmal sich aus den Gesetzen der Lichtbewegung den Schluß konstruiert zu haben, daß die ihm zugewendete Brust der Welle das aus dem Wasser kommende Licht, also die Eigenfarbe des Wassers (oder die Farbe des etwa unter flachem Wasser befindlichen Bodens), aufweisen muß, während der Rücken der Welle das Licht des darüber befindlichen Himmels spiegelt, also dessen Farbe zeigen muß, und zwar um so mehr die Farbe des Zenits, je näher die Welle dem Beschauer ist und je höher er über ihr steht, um auch diese Mannigfaltigkeit in ihre Bestandteile aufgelöst und sich ihre Darstellung ermöglicht zu haben.

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)