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Das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst ist immer ein wenig einseitig gewesen. Die Wissenschaft, oder wenigstens ein gewisser Teil derselben, der sich Ästhetik nennt, hat sich von Zeit zu Zeit mehr oder weniger lebhaft der Kunst angenommen und sie nach Art einer zwar nicht lieblosen, aber vor allen Dingen strengen Tante zu erziehen versucht. Die Kunst ihrerseits hat zuweilen solchen Erziehungsversuchen Gehorsam erwiesen. Dieser ist ihr aber im allgemeinen nicht sehr gut bekommen, und es wurde ihr zuletzt schlecht bei der ästhetischen Artigkeit. Sie hat dann über die Stränge geschlagen und die Tante verhöhnt, ja gehaßt und möglichst das Gegenteil von dem getan, was sie gewollt hat. Da heute keine erziehungsbedürftigen Kinder in der Versammlung sind, so darf ich verraten, daß der Kunst die Aufsäßigkeit gegen die Tante meist sehr gut bekommen ist. Während sie in den Tagen der Artigkeit unter der Pflege der Tante zwar sauber gewaschen und gekämmt war, aber

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)