Gustav Baumgarten, der talentvolle Zögling des Prof. Hartmann, erfand und malte ihn, und berechtigt durch dies Bild zu den höchsten Erwartungen. Technischer Werth der Malerei, gründliches Studium der Anatomie, vereinen sich hier mit reinem Gefühl und seelenvollen Ausdruck. Es ist Brustbild. Johannes wendet den Kopf und blickt aufwärts. Mit der nervigen Rechten hält er das Kreuz, die linke Hand, deren Zeigefinger sich, gleich dem Auge, fragend empor richtet, berührt mit den Knöcheln das Kreuz. Diese Wendung ist überaus sinnig und ausdrucksvoll. Hoher edler Ernst, einfach stille Größe spricht aus dem Ganzen. Dies dunkle, glühende Auge, die Harmonie dieser reinen Züge, die weiße Mäßigung bei seltner Kraft, bezeichnen in diesem Johannes so treffend den ächten ersten Priester des Christenthums. Nichts ist übertrieben, nichts phantastisch, alles einfach, kühn und groß. Soll man einen Wunsch aussprechen, so ist es der, daß der rothe Mantel und die ganze untere Hälfte des Bildes nicht zu sichtbarlich aufgeopfert wären, um einzig den Kopf herauszuheben, und daß die Schattentöne des Fleisches nicht zu sehr ins Graue spielten. Es ist sehr schwer, den untergeordneten Partieen eines Gemäldes Kraft und Wärme zu geben, ohne sie zu sehr hervortreten zu lassen.
Noch ein anderer Schüler des Prof. Hartmann, Fr. Thomè, macht auch seinem Meister wahre Ehre durch das treffliche Portrait No. 322, welches eine freundlich sinnige Frau in mittlern Jahren vorstellt. Es ist mit sprechender Wahrheit, schönem Farbenschmelz und mit geübter Hand gemalt, kräftig und weich zugleich.
Es ist recht interessant, hier vier Portraits junger Künstler zu sehen, in welchem jeder sich selbst malte, und welche alle vier mit treuem Fleiß, Lust und Wahrheit ausgeführt sind. Ein blühendes Colorit und eine zwanglos gemüthliche Anordnung zeichnen das von Leskow besonders vortheilhaft aus, so wie eine leichte geniale Anordnung das von Ferdinand Flor.
Der Knabe, welcher mit Seifenblasen spielt, und eben dem emporschwebenden bunten Gaukelbild so sehnsüchtig und neugierig nachblickt, ist reizend erfunden und mit recht zartem Gefühl gemalt von Georgy in Leipzig; man sieht, daß dieser Künstler dem rühmlich bekannten Kindermaler Vogel ernstlich nachstrebt; er kann ihn in der saubern und schönen Behandlung der Nebendinge vielleicht bald übertreffen, und in dem seelenvoll kindlichen Ausdruck ihm gleich kommen; nur möge er suchen die bunten Tinten des zarten Fleisches immer mehr zu verschmelzen. Das männliche Portrait von Rentsch gemalt, ist vortrefflich, weich und kräftig zugleich. Die Portraits, welche Adolph Schütz malte, sind nicht ohne Talent aufgefaßt; aber es fehlt ihnen jene anspruchslose Naivetät, welche der Portraitdarstellung erst Reiz und Wahrheit gibt. Die Natur will zart belauscht seyn, das Unsichtbare des geistigen Menschen soll uns kenntlich werden in der Darstellung der sichtbaren Hülle, das Ewige muß durchschimmern, sonst hat der Künstler nur Vergängliches gemalt, und sein Bild altert früher als das lebende Original.
Ueberdem drängt sich mir bei diesem sowohl, als bei den recht hübsch gemalten andern Portraits in diesem Saale, unter denen ich nur das von Sattler noch nenne, die Bemerkung auf, daß sich die Schüler doch gewöhnlich am meisten durch ihre Behandlung der Hände verrathen. Die Gruppe nach Gyps in Oel gemalt von Richter, einem Schüler Matthäi’s ist auffallend schön.
Das kleine Oelgemälde von Louis Schnorr in Wien, wo man aus dämmernder Nacht in ein offnes Fenster hineinsieht, und in dem hellerleuchteten Zimmer ein liebliches Mädchen sitzt und schreibt, welche ein Ritter belauscht, der von außen auf einen Baum kletterte, hat etwas recht Phantastisches und Sinniges, nur tritt uns das helle Innere des Zimmers viel zu nah und der nächtliche Vorgrund weicht zu sehr zurück.
Außerordentlich zart und schön behandelt ist eine kleine Aquarellzeichnung von Stölzel jun., die heilige Cecilie nach Carlo Dolce vorstellend. Es sind überhaupt mehrere gute und einige höchst verfehlte Copieen nach Galleriegemälden hier; doch um Copieen nach alten Meistern gehörig beurtheilen zu können, wäre es zu wünschen, daß sie abgesondert von den vielen bunten Gemälden nach der Natur, in einem eignen Zimmer ausgestellt seyn könnten. Copieen sind Echoklänge der Vergangenheit; sie können rein und zart, treu und verdienstlich, oder rauh und täppisch, plump, verfehlt und schülerhaft seyn (es gibt deren von allen diesen Sorten hier!) Echoklänge bleiben sie doch, und so sehr diese in der Einsamkeit den stillen Denker erfreuen und entzücken können, so wenig passen sie in den überfüllten, hundertstimmigen Concertsaal.
Doch es gibt auch noch viele brave Landschaften, Blumen etc. hier; von diesen, so wie von den andern erzähle ich Ihnen in meinem nächsten Briefe noch recht viel. Jetzt aber ahne ich Ihre Ungeduld, etwas von den Meisterwerken des Professorzimmers zu hören. Fern sey es aber von mir Laien, zu wagen, über diese irgend ein Urtheil zu fällen! Dies vermag ich nicht. Aber es glückte mir neulich dort ein langes Gespräch einer buntgemischten Gesellschaft zu belauschen; dies theile ich Ihnen treulich Wort für Wort hier mit. Möge es für Sie, mein Menschenkundiger
Unbekannt: Bemerkungen über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung, in Briefen. F. A. Brockhaus, Leipzig 1818, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunstblatt_1818_Dresdner_Kunstausstellung.djvu/2&oldid=- (Version vom 10.11.2024)