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Häufig und nicht mit Unrecht ist eingewendet worden, daß ein Naturpark in den Alpen, wie wir ihn zuerst in Aussicht genommen hatten, nur den Gebirgsformen unserer Tier- und Pflanzenwelt eine sichere Zufluchtsstätte gewähren könne, nicht aber denjenigen Arten, die ihren Lebensbedürfnissen nach auf das Hügelland oder auf die Tiefebene angewiesen seien. Das ist ganz richtig, aber mutatis mutandis läßt sich dasselbe sagen auch gegen jeden anderen Park, denn umgekehrt würde z. B. ein solcher in der Tiefebene niemals die Gebirgsformen in sich schließen können. Es ist deshalb mehr und mehr der Gedanke hervorgetreten, von vornherein drei große Naturparke in Angriff zu nehmen, wovon der eine als Hochgebirgspark in den Alpen, der zweite als Park für das Mittelgebirge und Hügelland in Süd- und Mitteldeutschland und der dritte als Park für die Tiefebene in Norddeutschland gedacht ist. Einerseits würden in diesen drei Parken tatsächlich alle für uns in Betracht kommenden Tier- und Pflanzenarten einbezogen werden können, und andererseits stellt es sich – so paradox dies klingt – immer mehr heraus, daß wir aus hier nicht näher zu erörternden Gründen auch in pekuniärer Hinsicht leichter diese drei Parke ins Leben rufen können, als einen einzigen, etwa in den Alpen. Wie wir uns die praktische Ausgestaltung und Verwaltung solcher Parke denken, darüber soll später zu gelegener Zeit in dem zu schaffenden Organ des Vereins Naturschutzpark berichtet werden.

Das gleichfalls nicht selten gehörte Bedenken, daß sich in unserem hochkultivierten Mitteleuropa ein genügend großes, zusammenhängendes Gebiet überhaupt nicht mehr finden lasse oder doch viele Millionen erfordern würde, können wir zu unserer großen Genugtuung schon heute durch die hocherfreuliche Tatsache widerlegen, daß uns ein solches Gelände wenigstens für den ersten der geplanten Parke bereits unter außerordentlich günstigen Bedingungen samt den zugehörigen Baulichkeiten und Forstpersonal in Erbpacht zur Verfügung steht, und nur noch der Übernahme harrt, ein sehr umfangreiches Gelände, überreich an landschaftlichen Schönheiten, an Laub- und Nadelwäldern, Felswänden, Seen und herrlichen Wasserfällen, in stiller Einsamkeit vollkommen für sich abgeschlossen und doch leicht von der nächsten Bahnstation erreichbar, ausgezeichnet durch einen starken Wildstand wie überhaupt durch eine hochinteressante Fauna und Flora von z. T. bereits sehr selten gewordenen Arten, kurz ein Gelände, wie es passender, geeigneter und idealer für unsere Zwecke kaum denkbar ist. Zur Übernahme und Verwaltung sind nur wenige zehntausend Mark jährlich erforderlich, von denen überdies voraussichtlich ein Teil durch Subventionen gedeckt werden würde. Deutsches Volk, Volk der Denker und Dichter, Volk der Heimatsliebe und der Naturfreude: sobald diese verhältnismäßig geringfügige Summe aufgetrieben ist, ist der erste große Naturschutzpark Tatsache, und die beiden anderen werden bald folgen! Was das besagen will, weiß jeder warmherzige und aufrichtige Naturfreund. Es ist dazu nur nötig, daß der „Verein Naturschutzpark“ rasch etliche zehntausend treue Mitglieder gewinnt und darunter möglichst viele „lebenslängliche“. Sollte diese bescheidene Hoffnung nicht zu verwirklichen sein? Sollen wir uns wirklich von den als Dollarjägern verschrieenen Amerikanern nicht nur, sondern selbst von der kleinen Schweiz und dem volksarmen Schweden beschämen lassen, die sich auch schon großartige Naturparke geschaffen haben? Ich vermag es nicht zu glauben, denn ich denke dazu als unverbesserlicher Idealist zu hoch von unserem deutschen Volke. Und zu hoch auch besonders von unserer „Kosmosgemeinde“, die so oft schon erfreuliche Proben innigen Naturverständnisses und tatkräftiger Opferwilligkeit abgelegt hat. Mit ihren heute 71 000 Mitgliedern, die im nächsten Jahre sicherlich auf 80 000 anwachsen werden, stellt sie unzweifelhaft einen nicht zu unterschätzenden geistigen Machtfaktor im Kulturleben der Gegenwart dar, und ihr Beispiel wird manchen Lauen und manchen Zögernden mit fortreißen. Bei den Besprechungen in München glaubte der Vorstand des „Kosmos“ behaupten zu dürfen, daß etwa 20 000 unserer Mitglieder sich dem „Verein Naturschutzpark“ anschließen würden, womit das Zustandekommen des ersten Parks schon fast als gesichert gelten könnte. Kosmosmitglieder! Laßt das stolze und zuversichtliche Wort unseres Vorstandes nicht zu Schanden werden! Tretet Mann für Mann dem „Verein Naturschutzpark“ bei und helft uns so, einen Plan, der so schön ist, daß er zuerst vielfach als Utopie betrachtet wurde, rasch in die Wirklichkeit umsetzen! Wenn aber jedes Kosmosmitglied hier ungesäumt die Pflicht erfüllt, die jedem echten deutschen Naturfreund obliegt, dazu auch selbst noch in seinen Bekanntenkreisen weitere Mitglieder wirbt[1] und Sammlungen


  1. Wie leicht sich Mitglieder für den „Verein Naturschutzpark“ werben lassen, beweist die Tatsache, daß eines der Vorstandsmitglieder in wenigen Tagen 200 gewonnen hat.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Floericke: Der gegenwärtige Stand der Naturschutzpark-Bewegung. In: Kosmos – Handweiser für Naturfreunde, Bd. 6, Heft 12, Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1909, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kurt_Floericke_Der_gegenw%C3%A4rtige_Stand_der_Naturschutzpark-Bewegung.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.10.2017)