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Vidocqs Buch heißt „Denkwürdigkeiten“, es ist aber ein Roman. Vidocq stellt nämlich nicht, wie der echte Memoirenschreiber, mit Hilfe seiner persönlichen Erfahrung Zeitgeschichte dar, sondern wie der Romandichter an den Ereignissen der Zeit eine persönliche Geschichte. Das Buch Vidocqs ist eine der wenigen Schriften der Weltliteratur, die durch außerordentliche Zusammendrängung realer Begebenheiten der Erlebnisse eines Menschen die überpersönliche Wirkung des Kunstwerks hervorbringen. Das ist ja etwa die Wirkung der Biographie Benvenuto Cellinis. Vidocq ist ein Cellini von der Unterseite der menschlichen Gesellschaft. Aber Vidocqs Leben konnte nur in Frankreich gelebt werden, und dies Buch kann nur aus den Katastrophendünsten der französischen Revolution kommen. Der öffentliche Ausbruch der Revolution umhüllte die für Eindrücke empfänglichste Epoche eines Jungen: François Eugène Vidocq war damals vierzehn Jahre alt; er ist 1775 (am 23. Juli) in Arras geboren. Er hat keine Ahnung von der Revolution, er weiß nur von sich. Aber die psychischen Zyklone, die über das Land fahren, erfassen den Jungen und lassen ihn wie eine Puppe durch alle Zersetzungserscheinungen der Gesellschaft tanzen. Er gehört gerade der für ihn gefährlichen Schicht der Gesellschaft an, dem besser situierten Kleinbürgertum, sein Vater ist ein wohlhabender Bäcker. Vidocq, als Junge mit anderen Jungen, stiehlt, bricht ein, wird verhauen, abenteuert. Unwahrscheinlich jung wird er Soldat, desertiert, geht in österreichische Dienste, dann wieder in

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_005.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)