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wurde. Seine Idee, die uns heute ganz natürlich erscheint, kam zu früh; so scheiterten in jener Zeit auch Balzacs Plan einer billigen Klassikerausgabe und Stirners Projekt einer Zentralmilchversorgung von Berlin. 1832 geht Vidocq wieder zur Polizei; zur politischen Polizei, über die er selbst die schärfsten Worte gesprochen hat. Darauf kommt es ihm nämlich gar nicht an. Er ist ungeheuer stolz darauf, vom bourbonischen König Louis Philippe empfangen zu werden, aber nach der Februarrevolution 1848 bietet er seine Dienste dem Schöpfer der neuen Republik an, Lamartine, dem Dichter und Minister des Aeußeren. Vidocq spricht sich zwar ganz radikal gegen die Agents provocateurs aus; aber er muß aus dem Polizeidienst entlassen werden wegen Organisierung eines politischen Verbrechens, das er selbst entdeckt. Also das bis auf unsere Tage übliche Verfahren. Vidocq gründet wieder etwas, das seiner Zeit viel zu modern war, ein Auskunftsbureau. Er hat natürlich immer alles gemacht, was ihm bezahlt wurde. Meistens hat er sich als ausgesuchter Lump benommen. Durch ihn haben viele Menschen ihr Leben verloren. Der Fall Vidocq ist ein sehr charakteristischer Beitrag zur Konstitution der Polizei. Nicht etwa nur seiner Polizei. Und als bezahlter Polizeimensch tut er auch in diesen Denkwürdigkeiten das Seine zur Verleumdung der Revolution.

Es ist zwar sehr moralisch: aber als Vidocq starb, zu Paris (oder Brüssel?) am 28. April 1857, war er im größten Elend und in seinen letzten Jahren schleppte er sich mit einem gebrochenen Arm herum; das hatten ihm Kameraden getan, die er gelegentlich verraten hatte.

Doch Revolution, Konsulat, Kaiserreich, Restauration, Republik – das sieht er alles nicht. Das sieht immer nur sein Leser. Für Vidocq haben Eruptionen, unter denen Europa Landesgrenzen änderte, nur Existenz, soweit sie ihm zu Fressen und Frauen verhelfen. Kriege? Sind dazu da, um noch pseudonymer untertauchen zu können. Dieser Vidocq ist schließlich so zusammengehetzt, von allen Seiten so belagert, ein schreckliches zappelndes

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_007.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)