Seite:Landstreicherleben 031.jpg

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in der Handhabung der Waffen verschafften mir den Vorteil, gleich in die Jägerkompagnie eingestellt zu werden. Ein paar alte Soldaten hielten sich darüber auf. Ich schlug mich mit ihnen und schickte sie ins Spital. Aber bald kam ich dort auch zu ihnen – einer ihrer Kameraden hatte mich im Duell verwundet. Dieses Debüt zog die Aufmerksamkeit auf mich. Man fand ein boshaftes Vergnügen daran, mir Händel zuzuschanzen. Und nach einem halben Jahr hatte Herr Ohnefurcht – diesen Beinamen hatte man mir gegeben – zwei Mann getötet und sich fünfzehnmal duelliert. Im übrigen genoß ich alle Freuden, die das Garnisonleben mit sich bringt. Meine Wachtposten waren stets auf Kosten einiger biederer Kaufleute versorgt, deren Töchter sich das Vergnügen streitig machten, mir angenehme Mußestunden zu verschaffen. Meine Mutter steuerte noch etwas dazu bei, mein Vater gab mir ein reichliches Taschengeld, und überdies machte ich noch Schulden. Wirklich, ich erregte Aufsehen, und so fühlte ich die Last der Disziplin fast nicht mehr. Einmal bekam ich zwei Wochen Arrest, weil ich dreimal beim Appell gefehlt hatte. Ich verbüßte die Strafe in einem Gefängnisloch unter den Bastionen, als einer meiner Freunde und Landsleute mit mir eingesperrt wurde. Er diente im selben Regiment, war mehrerer Diebstähle beschuldigt worden, und hatte auch noch ein Geständnis abgelegt. Kaum waren wir beisammen, da erzählte er mir die Geschichte seiner Haft. Es konnte kein Zweifel sein, daß das Regiment ihn ausstoßen würde. Dieser Gedanke, und dazu die Furcht, seine Familie zu entehren, stürzte ihn in Verzweiflung. Ich fühlte Mitleid mit ihm. Und da ich keinen Ausweg für ihn aus einer so schlimmen Situation sah, so riet ich ihm, sich der Strafe zu entziehen: durch Flucht oder Selbstmord. Er war einverstanden; er wollte erst eins vor dem anderen versuchen. Mit Hilfe eines jungen Mannes, der zu mir zu Besuch kam, bereitete ich in Eile alles für eine Flucht vor. Um Mitternacht sind zwei Eisenstäbe zerbrochen; wir führen den Gefangenen auf den Wall, und dort sage

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_031.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)