Seite:Landstreicherleben 035.jpg

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Ich hatte erfahren, daß sich ein Leutnant zu dem Armeekorps des Generals Schröder begab, und ich bat ihn inständig, mich als Bedienten mitzunehmen; er willigte ein in der Hoffnung, daß ich aus ihm einen zweiten Ritter Sankt Georg im Fechten machen würde. Aber er täuschte sich; als wir uns Quesnois näherten, drückte ich mich auf englisch, und begab mich nach Landrecies, wo ich mich für einen Belgier ausgab, der von den Österreichern desertiert sei. Man machte mir den Vorschlag, in die Kavallerie einzutreten. Aber die Furcht, erkannt und füsiliert zu werden, wenn ich jemals in die Nähe meines alten Regimentes käme, bewirkte es, daß ich dem vierzehnten leichten Regiment den Vorzug gab.

Die „Armee von Sambre-et-Meuse“ marschierte damals auf Aachen zu. Die Kompagnie, bei der ich stand, erhielt die Order, dieser Bewegung zu folgen. Wir marschierten ab. Da, als wir in Rocroi einmarschierten, bemerkte ich Jäger vom elften Regiment. Schon glaubte ich mich verloren, da machte es sich, daß ich überdies noch ein Zusammentreffen mit meinem ehemaligen Hauptmann nicht vermeiden konnte. Aber er beeilte sich, mich zu beruhigen. Dieser brave Mann hatte Interesse für mich gefaßt, seit er gesehen hatte, wie ich auf die Husaren der Armee Alberts von Sachsen-Teschen einhieb; und er sagte mir, daß, wenn eine Amnestie mich vor allen Folgen sicherstellte, er es mit Vergnügen sehen würde, daß ich wieder unter seine Befehle zurückkehrte. Ich bezeugte ihm, daß ich darüber nicht weniger ungehalten sein würde als er. Er nahm es auf sich, die Sache ins reine zu bringen, und ich wurde sofort wieder ins elfte Regiment eingestellt. Meine alten Kameraden nahmen mich mit Vergnügen auf, ich war ebenso zufrieden, wieder mit ihnen zu sein, und nichts mangelte meinem Glück. Da spielte mir die Liebe wieder einen Streich. Niemand kann wohl sehr erstaunt darüber sein, daß ich mit siebzehn Jahren die Haushälterin eines alten Junggesellen erobert hatte. Sie hieß Manon und war wenigstens doppelt so alt wie ich.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_035.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)