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hingab. Oft sah man ihn, wie er nach seinen Orgien durch die Stadt lief, an alle jungen Menschen obszöne Aufforderungen richtete, einen Säbel über seinem Kopf schwang und den Frauen und Kindern Pistolenschüsse ins Ohr feuern ließ.

Eine ehemalige Apfelverkäuferin mit einer roten Mütze auf dem Kopf, die Ärmel bis an die Schultern zurückgeschlagen, lief gewöhnlich mit ihm, einen langen Haselnußstock in der Hand; und oft begegnete man den beiden Arm in Arm. Dieses Weib, die man mit einer Anspielung auf die berühmte Revolutionsgestalt des Père Duchesne „Mère Duchesne“ genannt hatte, spielte bei vielen Volksfeiern die Göttin der Freiheit. Sie nahm regelmäßig teil an den Sitzungen der Kommission, deren Verhaftsbefehle sie durch ihre Ansprachen und Denunziationen vorbereitete. So ließ sie einmal alle Bewohner einer Straße guillotinieren.

Ich habe mich oft gefragt, wie es möglich ist, daß inmitten so unseliger Umstände die Lust an Unterhaltungen und Vergnügungen nichts von ihrer Intensität verliert. Jedenfalls bot mir Arras dieselben Zerstreuungen wie früher dar. Die Mädchen waren da noch ebenso leichtsinnig, und ich konnte mich mit Vergnügen davon überzeugen, denn ich schwang mich in wenigen Tagen stufenweise in meinen Liebesaffären von der jungen und hübschen Constance, der einzigen Tochter des Korporals Latulipe – Kantinenwirt der Zitadelle – bis zu den vier Töchtern eines Notars auf, der seinen Arbeitsraum an der Ecke der rue des Capucins hatte. Es wäre nun gut gewesen, wenn ich dabei stehengeblieben wäre, aber ich erkühnte mich, meine Huldigungen einer Schönheit in der rue de Justice darzubringen, und dabei stieß ich auf einen Rivalen. Der war ein ehemaliger Regimentsmusiker, und einer von den Männern, die sich nicht gerade mit Erfolgen brüsten, welche sie nicht davongetragen haben, aber doch durchblicken lassen, daß man ihnen nichts verweigert hat. Ich warf ihm eine Prahlerei der Art vor, er wurde zornig, ich forderte ihn, er gab nach, und

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_041.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)