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bei dem mein Kamerad und ich wohnten, eine ausgezeichnete Tafel führte. Wir mochten anstellen, was wir wollten, um uns in dem Hause Gunst zu gewinnen und ein paar nette Sachen zu essen zu kriegen – es half alles nichts, denn eine ältere Haushälterin, Sixca, kam uns immer in die Quere und vereitelte alle unsere gastronomischen Pläne. Wir waren ganz wild vor Verzweiflung und Appetit.

Endlich fand César das Geheimnis, um den Zauber, der uns so unbesieglich von dem Tische des Bürgermeisters entfernt hielt, zu brechen: Auf seine Anweisung hin kam eines Morgens der Tambourmajor unter die Fenster der Bürgermeisterei und ließ Tagwache schlagen. Man kann sich den Lärm vorstellen. Endlich kam auch die alte Megäre, und sie flehte uns um unsere Fürsprache an, damit das Getöse ein Ende habe. César versprach ihr mit süßer Miene, sein Möglichstes zu tun, daß sich nicht ein gleicher Lärm noch einmal erhebe. Dann lief er zum Tambourmajor und empfahl ihm am anderen Morgen den Radau auf solche Art loszulassen, daß er die Toten des benachbarten Kirchhofs aufwecken könnte. Und damit die Sache nicht halb getan sei, befahl er dem Tambourmajor, seine Trommelschüler hinter unserem Hause einzuexerzieren. Nun hätte auch ein Taubstummer nicht mehr standgehalten. Die Alte gab sich geschlagen, sie lud uns, den hinterlistigen César und mich, auf liebenswürdige Weise ein, aber das war uns nicht genug, die Trommeln setzten ihr Konzert fort, und das endete erst, als auch der ehrenwerte Regimentstambour ebenso wie wir zum Tisch des Bürgermeisters eingeladen war. Von nun an hörte man keinen Trommelschlag mehr in Saint-Silvestre-Capelle.

Alle Welt lebte harmlos und in Frieden, ausgenommen ich. Denn eines Tages hatte die Alte angefangen, mich mit ihren fürchterlichen Gunstbezeugungen zu bedrohen. Diese unglückliche Neigung führte einen Auftritt herbei, dessen man sich sicher in der Gegend noch erinnert, so großes Aufsehen erregte er.

Es war gerade Kirchweih. Man singt, man tanzt, man trinkt

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_045.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)