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vor allem, und ich lege mich dabei so tüchtig ins Zeug, daß man mich ins Bett tragen muß. Am anderen Morgen erwache ich vor Tagesanbruch. Wie das immer so ist, wenn man bei wüsten Gelagen war, hatte ich einen schweren Kopf, trockenen Mund und einen schlechten Magen. Ich will trinken, aber während ich mich aufrichte, fühle ich, wie eine Hand, die so kalt ist wie der Strick eines Ziehbrunnens, sich um meinen Hals legt. Mein Kopf ist noch ganz geschwächt von den Exzessen des Abends, und so stoße ich einen wilden Entsetzensschrei aus. Der Bürgermeister, der im Zimmer nebenan schlief, eilt sofort mit seinem Bruder und einem alten Diener herbei, alle mit Knüppeln bewaffnet. César war noch nicht zurückgekommen. Aber unterdes hatte ich schon nachgedacht, und war darauf gekommen, daß der nächtliche Besucher niemand anders sein konnte als Sixca. Dennoch stellte ich mich sehr erschrocken und sagte den Herbeieilenden, irgendein Geist habe sich an meine Seite gelegt und sei soeben unters Bett geschlüpft. Man fängt also an, auf das gespenstische Wesen loszuhauen. Da endlich merkt Sixca, daß die Sache gefährlich wird, und schreit: „He, ihr Herren, schlagt doch nicht, ich bin es ja, Sixca … Ich hab’ mich ja nur im Traum neben den Offizier gelegt!“

Aber diese Geschichte machte im ganzen Bezirk großen Lärm, und sie drang sogar bis nach Cassel und trug mir dort einige nette Abenteuer ein. Ich hatte unter anderen eine sehr schöne Limonadenverkäuferin – ich würde sie gar nicht erwähnen, aber sie war die erste, die mich lehrte, daß ein netter Junge am Büfett gewisser Cafés Kleingeld zurückbekommen kann auf eine Münze, die er nicht zum Wechseln gegeben hat.

Drei Monate später trafen wir mit den Österreichern zusammen. In der Nacht hatte der Feind unsere Vorposten überfallen. Wir stellten uns eiligst in Reih und Glied auf. In diesem nächtlichen Gefecht entwickelte unsere junge Landsturmtruppe solche Besonnenheit und solche Tapferkeit, wie man sie wohl nur bei Franzosen finden kann. Endlich nach einem sehr

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_046.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)