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Aber dieselben Gründe, die mich bestimmt hatten, zu heiraten, zwangen mich diesmal auch zum Schweigen. Übrigens begann unsere Verbindung unter sehr ungünstigen Auspizien. Ein Kaufmannsladen, den meine Frau eröffnet hatte, ging sehr schlecht. Die Ursache glaubte ich in der häufigen Abwesenheit meiner Frau zu sehen; sie saß den ganzen Tag bei ihrem Bruder. Ich machte Bemerkungen darüber, und als Antwort darauf ließ man mir den Befehl zugehen, mich wieder in Tournai einzufinden. Ich hätte mich über diese bequeme Art, sich eines lästigen Ehemannes zu entledigen, beschweren können; aber ich war schon so müde, das Joch der Familie Chevalier zu tragen, daß ich mit einer gewissen Freude die Uniform wieder anzog, die ich seinerzeit mit so viel Vergnügen abgelegt hatte.

In Tournai stellte mich ein ehemaliger Offizier des Regiments Bourbon, der jetzt Generaladjutant war, in seinem Bureau als Aufsicht über verschiedene Angelegenheiten der Verwaltung und besonders der Bekleidung ein. Bald darauf machten es Angelegenheiten der Division nötig, daß eine Vertrauensperson nach Arras geschickt würde. Ich reise mit der Post ab und komme in Arras um elf Uhr abends an. Da ich Order hatte, lasse ich mir das Stadttor öffnen und durch irgendein Gefühl getrieben, das ich nicht näher erklären kann, laufe ich zu meiner Frau. Ich klopfe lange, ohne daß mir jemand antwortet. Endlich macht mir ein Nachbar die Haustür auf, und ich steige schnell zum Zimmer meiner Frau hinauf. Wie ich näherkomme, höre ich das Geräusch eines fallenden Säbels, dann öffnet sich ein Fenster, und ein Mann springt auf die Straße. Natürlich hatte man meine Stimme erkannt. Ich stürze sofort in aller Eile die Treppe wieder herab und stoße gleich auf den Liebhaber, in dem ich einen Adjutantmajor vom siebzehnten Jägerregiment zu Pferde erkenne. Er war halb nackt. Ich führe ihn wieder in die eheliche Wohnung; er vollendet dort seine Toilette und wir verlassen uns mit der Verabredung, uns am folgenden Tage zu duellieren.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_052.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)