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der Reise zusammengetroffen war. Sie empfingen mich ausgezeichnet, und da sie bei der Erzählung meiner Abenteuer ahnten, daß meine Situation nicht gerade glänzend sei, so schlugen sie mir vor, den Rang als Leutnant bei den Jägern zu Pferde einzunehmen – ohne Zweifel, weil sie bei mir eine Mütze dieses Regiments sahen. Eine so vorteilhafte Ernennung durfte man nicht zurückweisen. Es wurde also mein Signalement in einer feierlichen Sitzung aufgenommen; und als ich dem Komitee bemerkte, daß der Name Rousseau nur angenommen sei, sagte mir der würdige Oberstleutnant, ich sollte den Namen nehmen, der mir am besten gefiele. Man kann offenbar die Gefälligkeit nicht weiter treiben. Ich entschied mich also, den Namen Rousseau beizubehalten und auf diesen Namen bekam ich nicht nur ein Offizierspatent, sondern auch eine Marschroute vom sechsten Jägerregiment, auf der bemerkt war, daß der Leutnant Rousseau mit seinem Pferde reise und Anspruch auf Wohnung und Verpflegung habe.

So gehörte ich denn nun also zu jener berühmten „Fliegenden Armee“. Die Fliegende Armee setzte sich aus lauter Offizieren ohne Patent und ohne Regiment zusammen, die mit falschem Rang und falschen Marschrouten die Militärintendanten um so leichter betrogen, als zu jener Zeit in den Militärverwaltungen die schrecklichste Unordnung herrschte. Fest steht jedenfalls, daß wir auf einer Rundreise, die wir in den Niederlanden machten, überall unsere Rationen erhoben, ohne daß die geringste Einwendung dagegen gemacht worden wäre. Indessen bestand damals die Fliegende Armee aus nicht weniger als zweitausend Abenteurern, die lebten, wie die Fische im Wasser. Und das ulkigste ist, die Leute gaben sich selbst ein so rasches Avancement, als es die Umstände nur erlaubten; ein Avancement, dessen Folgen immer einträglich waren, denn es bewirkte die Vergrößerung der Rationen. So rückte ich mit der Zeit zum Husarenhauptmann auf, einer unserer Kameraden wurde Bataillonschef; was mich aber am meisten aus der Fassung brachte,

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_059.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)