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suchten meine Gefährten mich mit Gewalt loszureißen, es ging nicht. Ich saß fest wie in einem Schraubstock, und der Schmerz, den mir diese Lage verursachte, wurde so groß, daß ich keine Hilfe von innen mehr erwarten konnte, die Schildwache anrief, um sie um Hilfe zu bitten. Die Wache näherte sich mit den Vorsichtsmaßregeln eines Menschen, der eine Falle befürchtet, setzte mir das Bajonett auf die Brust und verbot mir, die geringste Bewegung zu machen. Auf ihr Schreien tritt der Posten ins Gewehr und ich werde aus meinem Loch herausgezogen, nicht ohne da manchen Fetzen Fleisch zu lassen. Halbtot, wie ich war, brachte man mich sofort in das Hauptgefängnis, wo ich mit Eisen an Händen und Füßen in den Kerker geworfen wurde.

Zehn Tage später wurde ich nach vielen Bitten und Versprechungen, keinen neuen Fluchtversuch zu unternehmen, aus der Kerkerhaft entlassen und zu den anderen Häftlingen eingesperrt. Bis jetzt hatte ich ja allerdings mit Menschen zusammengelebt, die weit davon entfernt waren, vorwurfsfrei zu sein, mit Gaunern, Dieben und Fälschern; aber jetzt war ich in einer Gemeinschaft mit ausgesuchten Verbrechern. Unter der Zahl dieser war auch ein Landsmann von mir, namens Defosseux, ein Mensch von außerordentlicher Intelligenz und wunderbarer Stärke; er war seit seinem achtzehnten Jahre zur Zwangsarbeit verurteilt, war dreimal aus dem Bagno entflohen, und sollte mit dem ersten Gefangenentransport, der von hier ins Bagno ging, wieder hingebracht werden. Trotz der geheimen Scheu, die mir dieser Mensch anfangs einflößte, sprach ich doch gerne mit ihm über die sonderbaren Professionen, die er getrieben hatte, und was mich vor allem bewog, mit ihm zu verkehren, war die Hoffnung, daß er mir eine Möglichkeit zur Flucht beschaffen würde. Aus demselben Grunde stand ich auch gut mit mehreren Kerlen, die als Mitglieder einer Bande von fünfzig Brandräubern verhaftet worden waren.

Unsere Wächter wußten aber, mit was für Menschen sie es zu tun hatten; und so hüteten sie uns mit einer Sorge, die alle

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_088.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)