Seite:Landstreicherleben 091.jpg

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meinen Kopf gehe und dergleichen Redensarten. Darüber lachte ich nur, da ich glaubte, in dieser Phrase einen Kunstgriff zu sehen, der mir durch Einschüchterung ein Geständnis ablocken sollte. Ich beharrte also bei meinem Schweigen, und man führte mich wieder ins Hauptgefängnis zurück.

Kaum hatte ich den Fuß auf Gefängnis gesetzt, als die Blicke aller sich auf mich richteten. Man ruft, man flüstert sich ins Ohr; ich bin aber der Meinung, es sei meine Verkleidung, die die Erregung hervorbringen, und gebe nicht weiter acht darauf. Man bringt mich in eine Zelle, wo ich in Einzelhaft auf dem Stroh liege, mit Eisen an den Füßen. Nach zwei Stunden erscheint der Gefängniswärter, er stellt sich, als ob er mich bedauere und Interesse an mir nähme, und bringt mir bei, meine Weigerung, mitzuteilen, wo ich die letzten fünf Tage zugebracht habe, könne mir in den Augen der Richter schaden. Ich bleibe unerschütterlich. Wieder verlaufen zwei Stunden: Der Gefängniswärter erscheint wieder mit einem Gehilfen, der mir die Eisen abnimmt und mich in die Kanzlei führt, wo schon zwei Richter auf mich warten. Neues Verhör; dieselbe Antwort. Man entkleidet mich von Kopf bis zu Füßen. Dann haut man mir auf die rechte Schulter einen so furchtbaren Schlag auf, daß man einen Ochsen damit töten könnte – um den Stempel auf der Haut erscheinen zu lassen, im Falle ich einmal früher im Bagno gebrandmarkt worden sei. Meine Kleider wurden mir abgenommen, im Protokoll beschrieben und den Akten beigelegt. Ich begab mich wieder in meine Zelle, bedeckt mit einem Hemd aus Segelleinwand und einem schwarzgrauen Mantel in Fetzen, der schon von zwei Generationen Gefangener benutzt worden war.

Alles das mußte mir zu denken geben. Es war klar, daß die Näherin mich verraten hatte, aber in wessen Interesse? Diese Frau konnte nichts Böses gegen mich haben; und Francine hätte sich es trotz ihres Unwillens doch zweimal überlegt, ehe sie mich denunziert hätte. Und wenn ich mich einige Tage von ihr zurückgezogen

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_091.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)