Seite:Landstreicherleben 109.jpg

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Ich wurde in das Departementgefängnis zu Douai eingeliefert, wo man mich in die Liste der gefährlichen Verbrecher eintrug, das heißt, ich wurde an Händen und Füßen gefesselt ins Gefängnis gesetzt. Dort traf ich meinen Landsmann Desfosseux und einen jungen Mann Doyenette, der zu sechzehn Jahren Zuchthaus verurteilt war: er war angeklagt gewesen, in Gemeinschaft mit seinem Vater, seiner Mutter und zwei Brüdern unter fünfzehn Jahren einen Einbruchsdiebstahl begangen zu haben. Sie befanden sich schon seit vier Monaten in dem Kerker, in den ich nun gesetzt wurde; ihr Lager bestand aus Stroh, das von Ungeziefer zerfressen war, die Nahrung bildeten Brot, Bohnen und Wasser. Zunächst ließ ich also Lebensmittel kommen, die im Nu auch verschlungen waren. Dann sprachen wir von Geschäften, und meine Tischgenossen eröffneten mir, daß sie seit vierzehn Tagen an einem Loch unter dem Boden des Kerkers gruben; dieses Loch sollte zur Scarpe führen, die an den Mauern des Gefängnisses vorbeifließt. Mir kam das Unternehmen zunächst recht schwierig vor: man mußte eine Mauer von fünf Fuß Dicke durchbrechen, ohne den Verdacht des Gefängniswärters zu erwecken, der bei seinen häufigen Besuchen auch nicht die geringste Spur von Schutt sehen durfte.

Wir beseitigten dieses erste Hindernis, indem wir jede Handvoll Erde oder Kalk, die wir ausgruben, durch das vergittere Fenster in die Scarpe warfen. Außerdem hatte Desfosseux ein Mittel gefunden, unsere Fesseln zu lösen, und so arbeiteten wir mit viel weniger Anstrengung und Mühe. Einer von uns befand sich stets in dem Loch; es war schon groß genug, um einen Menschen aufzunehmen. Wir glaubten bereits, so gut wie am Ende unserer Arbeit und unserer Gefangenschaft zu sein, als wir bei näherer Untersuchung fanden, daß das Fundament nicht, wie wir angenommen hatten, aus einfachen Steinen, sondern aus festen Sandsteinblöcken gemauert war. Dieser Umstand zwang uns, den unterirdischen Gang zu vergrößern, eine Woche lang arbeiteten wir ohne Pause. Um den Wächter, der die

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_109.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)