Seite:Landstreicherleben 133.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Mauern, die seine Einfassung bildeten, waren höchstens fünfzehn Fuß hoch. Ich brauchte irgendeine Leiter. Eine Stange verrichtete denselben Dienst, aber sie war so lang und so schwer, daß ich sie nicht hinaufschaffen konnte, um mit ihrer Hilfe auf der anderen Seite wieder hinunter zu können. Nach ebenso nutzlosen wie mühevollen Versuchen mußte ich mich dazu entschließen, einen Sprung zu wagen. Er bekam mir schlecht: ich stieß so heftig mit den Füßen auf, daß ich mich nur mit Mühe in das nahegelegene Gebüsch zu schleppen vermochte. Ich hoffte, der Schmerz würde sich legen, so daß ich noch vor Tagesanbruch fliehen könnte. Aber die Schmerzen wurden immer heftiger, meine Beine taten dermaßen weh, daß ich auf alle Fluchtversuche verzichten mußte.

Ich schleppte mich, so gut ich konnte, bis zum Tor des Gefängnisses, um wieder aufgenommen zu werden; eine Tracht Stockhiebe, die mir von Rechts wegen zukam, würde mein einziger Gewinn sein. Eine Krankenschwester, die ich kommen ließ und der ich meine Not anvertraute, schaffte mich ins Krankenhaus und verband meine Wunden. Diese vortreffliche Frau nahm sich mein Schicksal so zu Herzen, daß sie beim Kommissar für mich einen Straferlaß erwirkte.

Als ich nach drei Wochen vollkommen geheilt war, wurde ich nach Brest geschafft.

Empfohlene Zitierweise:
Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_133.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)